• Home
  • Über uns
  • Publizieren
  • Katalog
  • Newsletter
  • Hilfe
  • Account
  • Kontakt / Impressum
Dissertation - Publikationsreihe - Tagungsband - Fachbuch - Vorlesungsskript/Lehrbuch - Zeitschrift - CD-/DVD-ROM - Online Publikation
Suche im Gesamtkatalog - Rezensionen - Lizenzen
Newsletter für Autoren und Herausgeber - Neuerscheinungsservice - Archiv
 
Katalog : Rezensionen : 2010 : Sozialwissenschaften

Rezensionen

Sozialwissenschaften


Rezensionen: 12 Seite 1 von 2

Oda Steudel

Lesen lernen leicht gemacht

11. Auflage

fiogf49gjkf0d
Viele intelligente Kinder haben ein anfängliches Leseproblem. Sie können sich einzelne große oder kleine Buchstaben nicht merken oder sie verwechseln Buchstaben und Laute. Manche Kinder können Buchstaben nicht zusammenziehen oder sie kommen mit der Leselernmethode in der Schule nicht zurecht. "Lesen lernen leicht gemacht" ist eine praktische Leselernhilfe. Mit diesem Buch lernt das Kind lesen, ohne dass es schreiben muss. Die Leselernhilfe dient als Hilfestellung und Unterstützung auf dem Weg zum Lesenlernen und sie kann ergänzend und unabhängig vom Unterricht verwendet werden. Mit nacheinander eingeführten Buchstaben, lustigen Geschichten und Übungen wird aus dem Leseanfäger ein begeisterter Leser. "Mo", der freche kleine Junge mit der Baseballkappe und den Turnschuhen kennt die Probleme beim Lesenlernen, das Verwechseln von Buchstaben und die Mutlosigkeit vieler Kinder, wenn die Lernmethode in der Schule nicht zum gewünschten Erfolg führt.Deshalb begleitet er die Buchstabenneulinge, vertieft die 42 Buchstaben und Laute intensiv in jeweils abgeschlossenen Einheiten und Geschichten. Und nach und nach, erlebt jedes Kind mit Begeisterung: Lesen kann toll sein!

Quelle: 

fiogf49gjkf0d
Karlsruher Kind, September 2010, S.27

Rezension: 08.12.2010

fiogf49gjkf0d
Karlsruher Kind, September 2010, S.27

Reihe: Pädagogik

Oda Steudel - Lesen lernen leicht gemacht
11. Auflage
978-3-8322-3397-6

fiogf49gjkf0d
Viele intelligente Kinder haben ein anfängliches Leseproblem. Sie können sich einzelne große oder kleine Buchstaben nicht merken oder sie verwechseln Buchstaben und Laute. Manche Kinder können Buchstaben nicht zusammenziehen... » mehr

Oda Steudel

Lesen lernen leicht gemacht

11. Auflage

fiogf49gjkf0d
A,B,C,D,E... Das Buch der Autorin Oda Steudel ist eine praktische und zusätzliche Leselernhilfe und unterstützt Eltern und Erzieher. Das Kind findet in diesem großen, dicken Buch einprägsame und anschauliche Merkhilfen für alle Groß- und Kleinbuchstaben. Das Kind lernt ohne Vorkenntnisse mit der Lesebegleitfigur Mo lesen, ohne dabei schreiben zu müssen. Das Besondere: In übersichtlich gestalteten Übungen und Geschichten, in denen nacheinander alle Buchstaben eingeführt werden, werden dann jeweils ausschließlich die bereits gelernten Laute verwendet. Die häufige Anwendung des neuen Buchstabens in den Texten intensiviert den Leseerfolg des ABC-Schützens. Liebevoll illustriert ermuntert dieses Buch zum Lesenlernen.

Quelle: 

fiogf49gjkf0d
Mosquito-Magazin, Dezember 2010/ Januar 2011

Rezension: 08.12.2010

fiogf49gjkf0d
Mosquito-Magazin, Dezember 2010/ Januar 2011

Reihe: Pädagogik

Oda Steudel - Lesen lernen leicht gemacht
11. Auflage
978-3-8322-3397-6

fiogf49gjkf0d
A,B,C,D,E... Das Buch der Autorin Oda Steudel ist eine praktische und zusätzliche Leselernhilfe und unterstützt Eltern und Erzieher. Das Kind findet in diesem großen, dicken Buch einprägsame und anschauliche Merkhilfen... » mehr

Steffen Kröhnert

Sag mir, wo die Frauen sind…

Ausprägung und Ursachen geschlechtsselektiver Abwanderung aus den neuen Bundesländern

fiogf49gjkf0d

Abstract: Im Mittelpunkt der Sammelrezension stehen fünf neuere, monographisch angelegte sozial- und kulturwissenschaftliche Studien zu Geschlechterverhältnissen und -konstruktionen im deutsch-deutschen Wiedervereinigungsprozess. Bei aller Verschiedenheit in ihren disziplinären Zugängen zum Untersuchungsgegenstand, in methodologisch-methodischer Hinsicht und in ihren Positionierungen gegenüber den Ergebnissen ist ihnen in ihren Blicken zurück nach vorn auf die Wende eine Fokussierung auf private Geschlechterbeziehungen gemeinsam. Hier zeigen sich, so der Tenor der Publikationen, nach wie vor erhebliche Differenzen in den dominierenden Geschlechterkulturen in Ost- und Westdeutschland, die zugleich auch die asymmetrische Struktur des Beitritts der DDR zur Alt-BRD widerspiegeln.

Suchbewegungen zu Gleichheit und Differenz im Ost-West-Vergleich

Die vertraglich vollzogene Wiedervereinigung der alten Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik jährt sich inzwischen zum 20. Mal. Dieses Ereignis gibt in politischer, sozialer und wissenschaftlicher Hinsicht nach wie vor Anstöße zu Reflexionen über gemeinsame Alltäglichkeiten und wechselseitige Irritationen bezüglich der inneren Einheit Deutschlands. Die deutschsprachige Geschlechterforschung tut sich weiterhin schwer damit, die deutsch-deutsche Vereinigung kritisch aufzuarbeiten, und entsprechende Einlassungen sind vergleichsweise rar. Die im Folgenden besprochenen Publikationen verdeutlichen allerdings, dass die Aufarbeitung von Geschlechterverhältnissen und Geschlechterkonstruktionen im Zuge der Wende noch voll im Gang ist.

Die Suchbewegungen zum Verstehen von Gleichheit und Differenz im Ost-West-Vergleich kreisen um die Fragen, welche Frauen in welchem Teil Deutschlands zu welcher Zeit ‚mehr‘ gleichgestellt waren als die anderen, inwiefern der vermeintliche ‚Gleichstellungsvorsprung‘ von Frauen im Osten gegenüber Frauen im Westen auch über die formale Gleichberechtigung hinausging, in welchen sozialen Bereichen er sich wie niederschlug, und schließlich, welche Geschlechterkonstruktionen die jeweiligen politischen und sozialen Verhältnisse hervorbrachten. Der staatlich verordneten ‚Emanzipation von oben‘ in der DDR wird dabei eine auf der sozialen Bewegung der Frauen basierende ‚Emanzipation von unten‘ in der alten Bundesrepublik gegenübergestellt. Einigkeit scheint darin zu bestehen, dass die gegen Ende der DDR erreichte weltweit nahezu beispiellose Erwerbsbeteiligung der Frauen nur einen, wenngleich wichtigen Aspekt der Gleichstellung ausmachte. Unstrittig scheint auch zu sein, dass die Integration von Frauen in die Berufswelt, die hier wesentlich durch staatliche Unterstützung etwa in Form von Kinderbetreuungseinrichtungen ermöglicht wurde, nicht mit einer Egalisierung der geschlechtlichen Arbeitsteilung im Privaten und mit egalitären Geschlechterkonstruktionen einherging. Zunehmend wird dabei in den Analysen der Blick auch auf die Männer gerichtet, auf ihre Interessen am Erhalt ungleicher Geschlechterverhältnisse und auf die mit der Frauenemanzipation einhergehenden Brüche und Krisen in männlichen Identitätskonstruktionen.

Den Geschlechterverhältnissen und -konstruktionen in der DDR und in beiden Teilen Deutschlands während und nach der Wende widmen sich die im Folgenden zu besprechenden sozial- und kulturwissenschaftlichen Monographien, die sämtlich neueren Datums sind. Die fünf Bücher unterscheiden sich in ihren disziplinären Zugängen, in methodologisch-methodischer Hinsicht und in den Positionierungen der Verfasser/-innen gegenüber ihrem Gegenstand jedoch erheblich voneinander. In ihrer Zusammenschau entsteht ein facettenreiches Bild von Gleichheit und Differenz der Geschlechterverhältnisse und -konstruktionen im Wiedervereinigungsprozess.

Ein (wiedervereintes) Deutschland – zwei Geschlechterkulturen

In ihrer ausgesprochen kenntnisreichen, sorgfältigen und anregenden Studie geht Pamela Heß den Fragen nach, welche geschlechtsspezifischen Konstruktionen in West- und Ostdeutschland seit der Wiedervereinigung 1989/90 vor dem Hintergrund der Rollenzuschreibungen und Rollenerwartungen im Zusammenhang mit familialen Verpflichtungen wirken, welche Gründe hierfür bedeutsam sein können und welche Implikationen sich daraus für eine Politische Kultur Gesamtdeutschlands ergeben. Sinnvoll erscheint die Konzentration der empirischen Untersuchung auf familiale Verpflichtungen „einerseits aus forschungspragmatischen Gründen und andererseits aus der Überlegung heraus“, dass geschlechtsspezifische Konstruktionen „gerade im Familien- und somit auch im Mutter- und Vaterbild besonders deutlich“ hervortreten (S. 14).

Von zentraler Bedeutung für Heß’ Argumentation, dass geschlechtsspezifische Konstruktionen über geschlechtliche Rollenzuschreibungen und -erwartungen sichtbar werden, ist das Konzept der Politischen Kultur. Die Politische Kultur eines Landes bestehe nicht nur aus Werten, Einstellungen und Normen über Politik und politischem Verhalten, sondern auch aus Geschlechterstereotypen; sie konstituiere sich im politischen Sozialisationsprozess, dessen Agenten unter anderem Familie, Schule, Arbeitswelt, Massenmedien, religiöse Einrichtungen, soziale Bewegungen und auch der Staat selbst seien. Der Blick auf die – in beiden Teilen Deutschlands über 40 Jahre hinweg unterschiedliche – politische Sozialisation insbesondere durch staatliche Interventionen ermöglicht nach Heß die Verengung des Verständnisses von Politischer Kultur auf die gesellschaftlichen Einstellungen zum Rollenbild der Geschlechter und auf das Geschlechterverhältnis im Allgemeinen. Vor diesem Hintergrund fragt die Verfasserin, inwieweit sich mit dem Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland und der damit verbundenen institutionellen Übernahme des westdeutschen demokratischen Systems der Systemwechsel für die Bürger der ehemaligen DDR auch auf der Ebene der politischen Einstellungen und Wertorientierungen und damit auch der Geschlechterrollen und Geschlechterverhältnisse vollzogen hat. Die empirischen Untersuchungen basieren zum einen auf der quantitativen Auswertung des Familiensurveys, einer vom Bundesfamilienministerium beauftragten umfragegestützten Familienforschung des Deutschen Jugendinstituts, aus den Jahren 1988/90, 1994 und 2000 und zum anderen auf der qualitativen Inhaltsanalyse der west- und ostdeutschen Zeitschriften SuperIllu, Stern und Gala aus dem Zeitraum September 2007 bis Februar 2008.

Den Untersuchungen zufolge weist die innerfamiliale Arbeitsteilung ostdeutscher Familien geschlechtsspezifische Strukturen aus, die den Geschlechtern unterschiedliche Handlungsfelder zuschreiben und dabei das weibliche Geschlecht stärker auf den Bereich der Haus- und Erziehungsarbeit verpflichten. Heß bilanziert ihr Ergebnis: „Die ‚andere‘ Geschlechterkultur in Ostdeutschland bezieht sich zwar auf ein Familienmodell, nach dem beide Eltern erwerbstätig sind und die Kinder vor allem außerhäuslich betreut werden (das Prinzip der privaten Kindheit spielt im Gegensatz zu westdeutschen Familien nur eine untergeordnete Rolle), aber eben nicht auf eine unterschiedliche Vorstellung von Geschlechterrollen.“ (S. 266) Damit orientierten sich die Differenzen zwischen West- und Ostdeutschland in Bezug auf die Geschlechterkultur vor allem an unterschiedlichen Einstellungen zur weiblichen Erwerbsarbeit, zu Erziehung und Betreuung von Kindern, tendenziell auch zur Arbeitsteilung in der Familie. Die Vorstellungen West- und Ostdeutscher über Geschlechterrollen und deren Anforderungen unterschieden sich aber nicht: Frauen seien nach wie vor ungebrochen zuständig für Familien- und Haushaltspflichten, egal ob sie einer Erwerbsarbeit nachgingen oder nicht. Der Wirkungskreis der Männer habe sich dagegen nicht verändert – Erwerbsarbeit sei noch immer die Hauptverpflichtung der Männer.

Angesichts des sich vollziehenden Institutionenwandels in Ostdeutschland – Abbau der Vollzeiterwerbstätigkeit von Frauen in Richtung auf Teilzeiterwerbstätigkeit, Rückbau der staatlichen Infrastruktur der Kinderbetreuung – kann sich Heß vorstellen, dass sich das Familienmodell aus der DDR dem westdeutschen Familienmodell annähern könnte. Denkbar sei, dass Frauen auch in den neuen Bundesländern ihre berufliche Laufbahn für ein Kind kurzzeitig unterbrechen und danach in Teilzeit arbeiten. Nicht denkbar hingegen sei, dass Männer ihre Karriere für den Kinderwunsch aufgeben – weder in Ost- noch in Westdeutschland. Die ostdeutschen Männer beteiligten sich zwar tendenziell häufiger als westdeutsche Männer an der Kinderbetreuung und im Haushalt, aber auch in den neuen Bundesländern hätten Frauen bzw. Mütter die Hauptverantwortung für den Haushalt und die Organisation der Kinderbetreuung. Der sich in Ostdeutschland nach wie vor vollziehende Struktur- und Institutionenwandel könnte demnach auch eine Angleichung der ostdeutschen an die westdeutsche Geschlechterkultur nach sich ziehen.

Umgekehrt ließe sich jedoch auch schlussfolgern, so ist hinzuzufügen, dass der zeitgleich zögerlich in Westdeutschland in Gang kommende Wandel hinsichtlich der Förderung der weiblichen Erwerbstätigkeit und des Ausbaus der öffentlichen Kinderbetreuung Bewegung in die westdeutsche Geschlechterkultur bringen könnte. Dies kann aber, Heß zufolge, nur dann in der sozialen Praxis erfolgreich und nachhaltig wirken, wenn sich auch die dahinter stehenden Rollenbilder hinsichtlich der gesellschaftlichen und familialen Arbeitsteilung verändern.

Der Geschlechterwiderspruch als ‚Nebenproblem‘ der DDR

Die Ergebnisse der Studie von Heß zeigen deutlich, dass die rein formale Förderung und Durchsetzung der Angleichung der Geschlechter durch Veränderungen der strukturellen Rahmenbedingungen in der Erwerbsarbeit und der Kinderbetreuung allein nicht ausreichen, um Geschlechtergleichheit zu verwirklichen. Liest man diese Erkenntnis im Licht der beiden Studien von Ursula Schröter, Renate Ullrich und Rainer Ferchland, so entsteht der Eindruck, dass in der DDR der Geschlechterwiderspruch nur mehr als Nebenwiderspruch Berücksichtigung fand. Schröter et al. bezeichnen den Umgang der DDR mit den Geschlechterverhältnissen als „patriarchal“: Während der erste Band von 2005 im Titel noch das „Patriarchat im Sozialismus“ mit einem Fragezeichen versieht, scheint die Frage im zweiten Band von 2009, der das „Patriarchat in der DDR“ untersucht, bereits beantwortet zu sein. Die Klärung des Patriarchatsbegriffs erfolgt in beiden Studien eher rudimentär – Patriarchat scheint so viel wie geschlechtliche Ungleichheit als soziale Zweitrangigkeit von Frauen zu meinen –, aber das (verschwindende) Fragezeichen spielt durchaus eine Rolle in den Erörterungen. Worum geht es in den beiden Bänden, die aus Forschungsaufträgen der Rosa-Luxemburg-Stiftung hervorgegangen sind?

Der erste Band basiert auf geschlechtsspezifischen Auswertungen ausgewählter Dokumente der soziologischen und kultursoziologischen Forschung der DDR. Grundlagen bilden hier neben den sogenannten SID-Heften (Soziologische Informationen und Dokumentationen) und der Reihe Soziologie auch die interdisziplinären Informationshefte des Wissenschaftlichen (Bei-)Rats „Die Frau in der sozialistischen Gesellschaft“ und die Mitteilungsblätter der Forschungsgemeinschaft „Geschichte des Kampfes der Arbeiterklasse um die Befreiung der Frau“ sowie Dissertationen und Forschungsberichte, die beim „Wissenschaftlichen Rat für Soziologische Forschung der DDR“ archiviert wurden – insgesamt mehr als 70.000 Seiten Text. Diesen Materialfundus untersuchen Schröter und Ullrich im Hinblick auf zwei Fragen: „Erstens. Welche Forschungsfragen und welche Forschungsergebnisse zu den Geschlechterverhältnissen sind bis heute wichtig und insofern aufhebenswert (wären aufhebenswert gewesen)? Zweitens. Welche Fragen, welche Zusammenhänge fehlen aus heutiger Sicht?“ (S. 7)

Die beiden Forschungsfragen lassen leider klare Auswahl- und Bewertungskriterien für das „Aufhebenswerte“ und „das Fehlende“ offen. Bei der Lektüre des Bandes müssen folglich einige Abstriche hinsichtlich der Stringenz und Nachvollziehbarkeit der Erkenntnisse gemacht werden. Dies wird noch verschärft durch persönliche Einsprengsel der Verfasserinnen, in denen sie jeweils benennen, was ihnen als DDR-Zeitzeuginnen bekannt und was ihnen nicht bekannt gewesen sei und wie sie diese Erkenntnisse heute beurteilen würden. Herausgekommen ist bei den, so der Untertitel des Bandes, „Nachträgliche[n] Entdeckungen in Forschungsergebnissen aus der DDR“ aber dennoch eine überaus spannende und überaus lesenswerte Rekonstruktion von Ergebnissen der vor allem gesellschaftswissenschaftlichen Forschungen in der DDR zu den Geschlechterverhältnissen und ihrem theoretischen wie politischen Umfeld.

Demnach gab es in der DDR auf Gründungsbeschluss des DDR-Ministerrats seit 1964 sowohl eine institutionalisierte Soziologie als auch eine institutionalisierte und interdisziplinär angelegte Frauenforschung. Diese sehen die beiden Verfasserinnen im internationalen Vergleich als bahnbrechend an: Die Gründung eines wissenschaftlichen Gremiums zur Analyse der Lage der Frauen in der DDR sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem es organisierte oder gar institutionalisierte Frauenforschung weder in den anderen sozialistischen Ländern noch in der damaligen Bundesrepublik und den anderen westeuropäischen kapitalistischen Ländern gegeben habe, sondern nur in den nordischen Ländern. Auch ein wissenschaftlicher Rat für soziologische Forschung in der DDR wurde kurz darauf vom Politbüro der SED ins Leben gerufen. Das erste Kapitel beleuchtet den politischen und theoretischen Hintergrund der Forschungen im Kontext dieser Gremien und zeichnet detailreich ihre Entwicklungsgeschichte nach.

Im zweiten Kapitel stellen die Verfasserinnen in chronologischer Abfolge (zumeist in Zwei-Jahres-Schritten) konkrete Forschungsergebnisse vor und konzentrieren sich dabei „auf die so genannte private Sphäre“, genauer noch vor allem „auf die im Privathaushalt geleistete, meist unbezahlte Arbeit“ (S. 66). In den Ausführungen stehen unter anderem die familiäre Entwicklung, die häusliche Arbeitsteilung, das Erziehungsverhalten der DDR-Eltern, die Auswirkungen der mütterlichen Erwerbstätigkeit auf die kindliche Entwicklung, die Vorbereitung der Jugendlichen auf die Familiengründung und das reproduktive Verhalten im Mittelpunkt. Die chronologische Darstellung ermöglicht es, gerade auch in der Verquickung mit politischen Entwicklungen, die die Forschungsergebnisse zur Unterstützung von Entscheidungen nutzten, Verschiebungen in den wissenschaftlichen und politischen Schwerpunkten zu entdecken. So schlug sich beispielsweise die auf dem VIII. Parteitag der SED 1971 verkündete Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau politisch in einem Schwerpunktwechsel von der Frauen- zur Bevölkerungs- und Familienpolitik und wissenschaftlich in Schwerpunktverlagerungen der Forschungen hin zu Fertilität, Familienfragen und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nieder.

Auffällig ist, dass die DDR-Frauenforschung wesentlich auf Frauen fokussierte und Männer allenfalls randständig in den Blick nahm, womit sie sich jedoch in guter Gesellschaft zur westdeutschen, ja westlichen Frauenforschung befand, die ihren Blick auch erst in den späten 1980er Jahren auf die Geschlechterverhältnisse und auf Männer zu richten begann. Deutlich wird in den Darstellungen der historischen Entwicklung, wie eng die DDR-Frauenforschung an die Frauen- und später auch Familienpolitik geknüpft war: So resultierten Forschungsfragen aus den politischen Gestaltungsaufgaben, und politisches Handeln legitimierte sich durch die so gewonnenen Erkenntnisse über Frauen und ihre Lebenswelten. Derartige Reflexionen weisen jedoch über Schröters und Ullrichs Forschungen hinaus und eröffnen neuen Horizonte für weiterführende Studien zur Verquickung von Wissenschaft und Politik in der DDR.

Gleichwohl fällt Schröters und Ullrichs Bilanz kritisch aus: Die DDR-Gesellschaftswissenschaften seien nicht generell geschlechtsblind gewesen, aber der Geschlechterwiderspruch habe im Vergleich zum Klassenwiderspruch nicht einmal als ‚Nebenproblem‘ eine angemessene Rolle gespielt. Während es in der umfangreichen Sozialstruktur- und Klassenforschung bereits seit Ende der 1970er Jahre für möglich gehalten worden sei, dass das strategische Ziel der Klassenlosigkeit nicht nur durch Annäherung an die Arbeiterklasse, nicht nur durch ‚Arbeiter-Werden‘ zu erreichen sei, weswegen die spezifischen Potenzen aller Klassen und Schichten analysiert werden müssten, habe es vergleichbare Forschungen (und die zugehörige Politik) für das Geschlechterthema nicht gegeben. Aus der Unterordnung der Geschlechterfrage (ebenso wie u. a. der ethnischen) unter die Klassenfrage sei allerdings kein Hehl gemacht worden, habe sie doch in Übereinstimmung mit den theoretischen Wurzeln der deutschen Arbeiterbewegung gestanden. Die Verfasserinnen schlussfolgern: „Kapitalismus funktioniert nicht ohne Patriarchat, aber Patriarchat funktioniert auch ohne Kapitalismus.“ (S. 163)

Grenzen der Gleichstellung der Geschlechter in der DDR

Im zweiten Band führen Ursula Schröter, Renate Ullrich und Rainer Ferchland die Überlegungen zum „patriarchale[n] Charakter des DDR-Staates“ (S. 7) weiter. Die bisherigen Befunde auf der Grundlage anderer Quellen aus verschiedenen Zeiträumen der Existenz der DDR sollen präzisiert, der empirische Fundus angereichert und die theoretische Verallgemeinerung erleichtert werden. Ziel ist dabei zum einen, einen Beitrag zur gegenwärtigen Debatte über den gelungenen oder weniger gelungenen Vereinigungsprozess in Deutschland zu leisten, in der insbesondere unter Bezugnahme auf die Frauen- und Familienpolitik der DDR immer wieder auf nach wie vor bestehende Ost-West-Unterschiede in Einstellungen und Verhaltensweisen – gerade auch im familiären Bereich – verwiesen werde. Zum anderen wollen die Verfasser/-innen eine der Ursachen für das Scheitern des „ersten deutschen Sozialismusversuch[s]“ (S. 8) mit seinem Chancenreichtum und seinen Grenzen der Geschlechterpolitik markieren.

Empirische Grundlagen dieser Analysen bilden erstens Dokumente des Demokratischen Frauenbundes Deutschland (DFD), der im Dienst der SED gestanden hatte, und damit offizielle DDR-Unterlagen vor allem aus den ersten beiden Jahrzehnten des Bestehens der DDR. Ursula Schröter zeichnet in diesem Kapitel den langwierigen Definitionsprozess des DFD als gesamtdeutsche Frauenorganisation wie auch ausgewählte frauenpolitische Ereignisse der 1960er Jahre nach. Dabei lenkt sie ihr Augenmerk auf die „konfliktreiche[] Beziehung zwischen Arbeiterbewegung und Frauenbewegung – in den Farben der DDR“ (S. 9). Deutlich wird in den Ausführungen, dass die DDR-Frauen bzw. ihre Organisation die vorgegebene Rolle nicht konsequent spielen konnten und spielen wollten, was unterschiedliche Reaktionen seitens der Regierenden zur Folge hatte, so etwa die Bildung von DFD-Betriebsgruppen und ihre spätere Auflösung oder die Durchführung von zentralen Frauenkonferenzen, die jedoch keine dauerhafte Einrichtung werden sollten. Schröter schlussfolgert: „Die nicht zu unterdrückenden Mitgliederinteressen der Frauen widersprachen nicht selten der Fremdbestimmtheit. Und dieser Widerspruch kann heute produktiv gemacht werden.“ (S. 61)

Als zweite empirische Grundlage dienen ausgewählte DEFA-Dokumentarfilme aus der gesamten Zeit der DDR, die von Renate Ullrich daraufhin untersucht werden, wie DDR-Frauen ihre eigene Situation beschrieben, mit welchen Problemen sie trotz aller fortschrittlichen Gesetze zum Frauen-, Mutter- und Familienschutz und zur Gleichstellung zu kämpfen hatten. Dabei geht es der Verfasserin vor allem darum, herauszufinden, welche Frauen in Bild und Wort dargestellt und welche Frauenbilder von diesen Filmen propagiert und mit-geprägt wurden. In den Schilderungen des Alltags der Frauen und Mädchen, insbesondere zu Zeiten der Wende, entdeckt sie Aussagen zum Stand und zu Trends der Emanzipation. So sei die Gleichstellung der Geschlechter im bzw. trotz Patriarchat der DDR weit gediehen gewesen und selbstverständlich gelebt worden und keiner Rede wert gewesen – bis zur Wende: „Der Einbruch des Kapitalismus traf alle – sowohl die Frauen als auch (ihre) Männer. Die Rückschritte in der Gleichstellung fielen ihnen (uns) erst später auf: der plötzlich wieder gültige § 218; die Kostenpflicht für ‚Pille‘ und für Kinderbetreuung; das auf dem bundesrepublikanischen Familienmodell beruhende Scheidungsrecht; der drohende Verlust an finanzieller und überhaupt an Eigenständigkeit gegenüber ihren Partnern und zu alledem der Vorwurf, der Drang der Ostfrauen nach Erwerbsarbeit sei eine wesentliche Ursache für die Massenarbeitslosigkeit.“ (S. 116)

Soziologische Befragungsergebnisse überwiegend aus den 1980er Jahren bzw. aus der Umbruchzeit stellen das dritte empirische Material dar. Rainer Ferchland analysiert diese in Bezug auf soziale Lagen und deren Reflexionen, wobei er den Schwerpunkt auf die Geschlechterdifferenz legt, die im Vergleich zur Klassendifferenz auch empirisch in der DDR nur eine geringe Rolle gespielt habe. Die neuerlichen Auswertungen der Befragungsergebnisse zeigen, „dass die Geschlechterfrage nicht zu den vordringlichen Untersuchungsschwerpunkten der Initiatoren und der Gesellschaftswissenschaften überhaupt gehörte […] Die Kategorie Geschlecht wurde nicht ignoriert, aber ihr wurde nicht die erforderliche Aufmerksamkeit zuteil“ (S. 180), wobei Ferchland zu Recht darauf hinweist, dass dieser Vorwurf nicht nur auf die DDR-Sozialwissenschaften zutrifft. Seine Analysen verdeutlichen, dass auch in der DDR eine geschlechtliche Ungleichheit zuungunsten von Frauen bestand. Im Generationenvergleich wird allerdings deutlich, dass diese zunehmend abgebaut wurde, je länger die DDR bestand – mehr als zur gleichen Zeit in der alten Bundesrepublik. Das Patriarchat in der DDR habe sich selbst gemäßigt: „Unter den patriarchalen Strukturen der DDR wurden große Fortschritte beim Abbau der strukturellen Diskriminierung der Frau bewusst und planmäßig (paternalistisch gesteuert) herbeigeführt.“ (S. 180) Die Arbeitsteilung innerhalb der Familie aber sei noch stark vom eigentlich in der Erwerbssphäre überwundenen Alleinverdienermodell geprägt gewesen: Die Hausarbeit blieb in der gesellschaftlichen Würdigung zweitrangig und wurde daher den Frauen übertragen. Bemerkenswert ist zudem, dass sich in der DDR-Wirtschaft der 1980er Jahre Tendenzen der Verzögerung und des partiellen Rückbaus der weiblichen Emanzipation durch eine erneute Vertiefung der geschlechtlichen Arbeitsteilung zeigten.

Im gemeinsamen Fazit weisen Schröter, Ullrich und Ferchland vor allem auf die Begrenztheit der Gleichstellung von Frauen im Sozialismus hin. Das sozialistische Patriarchat der DDR sei gegründet gewesen auf Volks- und Genossenschaftseigentum, Planwirtschaft, das Recht auf Bildung und berufliche Arbeit für alle Menschen im erwerbsfähigen Alter. „Frauenemanzipation galt als wichtig, aber nachgeordnet. Allerdings nicht als marginal. Es gab international anerkannte vorbildliche frauenpolitische Maßnahmen und Gesetze. Sie waren zwar nicht geeignet, das überkommene Patriarchat infrage zu stellen oder gar zu beseitigen. Aber sie waren geeignet, es zu zügeln, es für die meisten Frauen, Kinder und Männer – bei aller Widersprüchlichkeit – lebbar zu machen.“ (S. 185)

In der Zusammenschau beider Bücher entsteht vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Quellen und betrachteten Zeiträume eine facettenreiche Dokumentation der Erfolge und Grenzen der Frauen- und Geschlechterpolitik in der DDR, die die öffentliche Geschlechterungleichheit in ihre Schranken zu weisen vermochte, im privaten Bereich jedoch nicht abgebaut hatte. Gleichstellung wurde im öffentlichen Raum als Angleichung von Frauen an Männer praktiziert und blieb daher in ihrer Wirkmächtigkeit beschränkt, wobei dahingestellt ist, ob das gewollt oder ungewollt war. Verdienst der beiden Bände ist es, verschiedene Perspektiven auf den politischen, kulturellen und sozialwissenschaftlichen Umgang der DDR mit der Geschlechterfrage eröffnet zu haben, auch wenn bei dem dokumentarischen Eifer kritische Bündelungen in systematisierender Absicht ab und an zu kurz kommen, die Auswahlkriterien der untersuchten Dokumente, Filme und Studien nicht immer nachvollziehbar sind und das gemeinsame Label des sozialistischen Patriarchats in seinem diagnostischen und analytischen Gehalt begrenzt bleibt.

Liebes- und Eheglück in Wende-Zeiten: West-Männer als Gewinner und Ost-Frauen als Verliererinnen?

Die privaten Geschlechterverhältnisse stehen auch im Mittelpunkt der kulturwissenschaftlichen Studie von Alison Lewis, die Liebesgeschichten und Eheromane von Autor/-innen aus Ost und West analysiert, in denen sie die Wiedervereinigung vor allem mit der Metapher der „schwierigen Ehe“ beschrieben findet. In der Literatur würden die Jahre 1989 und 1990, die Zeit der Wende also, als Hochzeit oder Ehe zwischen Ost und West dargestellt, wobei die beiden Teile Deutschlands nicht zuletzt mit dem Ziel einer Reduktion von Komplexität und dem Hinweis auf ein Machtdifferential mit geschlechtlichen Vorzeichen versehen würden: Westdeutschland mit einem männlichen und Ostdeutschland mit einem weiblichen Vorzeichen. Dabei werden die Geschlechterrollen und Geschlechtsattribute auch in einen Bezug zur Geschichte der Nation gebracht.

Lewis misst der Auseinandersetzung mit dem Thema Geschlechterdifferenz zentrale Bedeutung für die Wiedervereinigung bei. In den Jahren nach dem Vollzug der Einheit habe die Geschlechterproblematik mit einem Mal wieder auf der Tagesordnung gestanden und sich besonders im Bereich der Familien- und Arbeitspolitik geltend gemacht. Mehr noch: „Das Projekt der deutschen Einheit und der inneren Einheit ist inzwischen ohne die Leitdifferenz des Geschlechts nicht mehr zu denken.“ (S. 12 f.) Der Gebrauch der Ehemetapher in dieser Zeit lasse demnach in vielerlei Hinsicht auch Rückschlüsse auf die Geschichte einer Gesellschaft zu, die einen rapiden Transformationsprozess durchlaufen habe und sich im Übergang befinde, und zwar nicht nur hinsichtlich der Geschlechterordnung. In diesem Zusammenhang seien Liebesgeschichten und Eheromane die bevorzugten Mittel gewesen, mit deren Hilfe sich die zeitgenössische Literatur mit den aktuellen Themen von Geschlecht und Nation auseinandersetzte. Das Moment der Ost-West-Paarbildung diene der Erkundung der nationalen Stimmungslage in Zeiten der Wende. Geschichten über die Liebe zwischen Ost und West seien demnach zwangsläufig auch Geschichten über die innere Einheit des Landes. Ost- und westdeutsche Autor/-innen verschiedener Generationen hätten sich dem Bereich Liebe und Ehe zugewendet, um tradierte und überkommene Geschlechtermuster auf den Prüfstand zu stellen und um Kritik an neuen, unerwünschten Entwicklungen in der Beziehung zwischen Mann und Frau zu üben. Dabei wird der historische Umbruch mit dem ihn begleitenden Individualisierungs- und Modernisierungsschub vor allem als Chance dargestellt, um Neues zu formulieren: alternative Formen von Männlich- wie Weiblichkeit und andere Formen der Partnerschaft und Zweisamkeit.

Grundlage von Lewis’ erhellender Studie sind acht Romane, die die Geschichte der Wende und der Einheit anhand einer Liebesgeschichte erzählen. In Jurek Beckers Roman Amanda herzlos (1992) werde erzählerisch die Vergangenheit des Ost-West-Paars vor der Wende erkundet und mit Reflexionen zur Frauenemanzipation verknüpft. Brigitte Burmeisters Roman Unter dem Namen Norma (1994) veranschauliche literarisch, dass mit der Wiedervereinigung ein deutlicher Riss durch die ostdeutschen Ehen ging, der die Ehepartner voneinander entfremdete und Streitigkeiten hervorrief. In Monika Marons Roman Animal Triste (1996) werde der Symbolcharakter einer unglücklichen Ost-West-Liebesgeschichte für Geschlecht und Nation deutlich. In den Studien zu diesen drei Romanen wird die Aufmerksamkeit vor allem auf Lebensläufe ostdeutscher Frauen aus der Wendezeit gelenkt. In den anderen Kapiteln rücken literarische Entwürfe ostdeutscher Männertypen in den Vordergrund: Dabei wird die Figur des Ostmanns als Verlierer der Wende erzählerisch mit seiner Unfähigkeit zu lieben verknüpft. Literarische Beispiele für die Krise der Männlichkeit im Kontext der Geschichte der deutsch-deutschen Teilung liefern Ingo Schramms Roman Entzweigesperrt (1998) und Michael Kumpfmüllers Hampels Fluchten (2000). Barbara Sichtermanns Roman Vicky Victory (1995) entwirft aus weiblicher Sicht eine literarische Zukunftsprognose für die ostdeutsche Männlichkeit nach der Wende. In Alexander Osangs Roman Die Nachrichten (2000) wird der Typ eines ostdeutschen Aufsteigers gezeichnet, der sich auch Westfrauen gegenüber zu behaupten weiß, und in Karen Duves Regenroman (1999) geht schließlich eine unerwünschte Form von westdeutscher Männlichkeit im Osten unter, während zugleich neue Weiblichkeitsmodelle entworfen werden. Die beiden letztgenannten Beispiele interpretiert Lewis als beginnenden Vollzug der inneren Einheit, der mit positiven Veränderungen hinsichtlich der Kategorien Geschlecht und Nation einhergeht. Bei dieser Diagnose zielt sie – wie im Buch insgesamt – darauf, die Wendeliteratur als „poetische Inszenierung von Geschichte“ (S. 50) darzustellen. Auch wenn in einer derartigen Darstellungsform Geschichte und Literatur kaum mehr unterscheidbar scheinen, betont Lewis doch immer wieder die feinen Unterschiede.

Deutlich wird so bei der Lektüre, dass die Wende zweifelsohne literarisch neue Konstruktionen von Ost-West-Beziehungen ermöglicht hat. Dabei spiegelt sich die asymmetrische Struktur des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland auch darin nieder, dass die Heirat mit einem Westdeutschen von vielen Romanfiguren als Ideal dargestellt wird, die so ihrem Wunsch nach Integration und ‚Ankunft‘ in der neuen, gewünschten Welt Ausdruck verleihen. Allerdings imaginieren viele untersuchte Werke gescheiterte Integrationsversuche durch die Liebe und entwerfen damit eher pessimistische Aussichten auf die Zukunft der deutschen Einheit. Auch hier liegen literarische und gesellschaftliche Realität oft eng beieinander: „Ein Leben ohne Liebe, ein Leben ohne die Intimität und die Freuden der Zweisamkeit und oftmals ein Leben in Einsamkeit sind Spielarten des Schicksals, das vielen Romanfiguren der Nachwendezeit bevorsteht. Der Verlust der Liebe wie auch der Fähigkeit zu lieben steht demnach in engem Zusammenhang mit dem Verlust anderer Glaubenssysteme in der postkommunistischen Ära.“ (S. 322 f.) Hinzu kommt, dass der geschichtliche Wandel die Geschlechter in Lewis’ Darstellungen auf keinen Fall einander näher gebracht, sondern eher die Gemeinsamkeiten zwischen Liebenden bzw. Ehepartnern und daher auch den letzten Rest Solidarität zwischen den Geschlechtern unterhöhlt zu haben scheint. „Es entsteht fast der Eindruck, als verschärfe der Ost-West-Konflikt den Kampf zwischen Mann und Frau.“ (S. 324) Gender wird in den untersuchten Romanen zum entscheidenden Faktor für die literarische Geschichtsschreibung der Autor/-innen, wobei das Happy-End der Beziehung in Gestalt einer harmonischen Einheit der Ehe zwischen Ost und West eher als fragwürdig dargestellt wird.

Go west: Verwerfung des Geschlechterarrangements als Ursache geschlechtsselektiver Abwanderung aus den neuen Bundesländern

Spannungen in den Geschlechterverhältnissen stehen auch im Mittelpunkt der letzten hier zu besprechenden, wiederum soziologischen Studie von Steffen Kröhnert. In dieser Dissertation erweitert und vertieft er Argumente und Analysen einer von ihm geleiteten Untersuchung des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zur geschlechtsselektiven Abwanderung aus den neuen Bundesländern. Den Ausgangspunkt der deskriptiven quantitativen Untersuchung bildet die Beobachtung, dass zwischen 1989 und 2005 1,6 Millionen zumeist junge (18- bis 29-jährige) und zu 55% weibliche Menschen aus den neuen Bundesländern abgewandert sind. Diese Beobachtung widerspricht nicht nur traditionellen Annahmen zur Mobilität und zu Geschlechterrollen, nach denen Männer als das aktivere, mobilere und stärker erwerbsorientierte Geschlecht gelten, sondern ist in dieser Ausprägung auch für Europa historisch in Art und Ausmaß einzigartig und ungewöhnlich.

Die zentrale These von Kröhnerts anregender Untersuchung lautet, „dass sich die Ursachen der Geschlechtsselektivität der Wanderungsprozesse nicht – wie häufig vermutet – allein aus der Situation des Arbeitsmarktes in den neuen Bundesländern herleiten lassen, sondern dass ihre Gründe im Zusammenwirken verschiedener Bedingungsgefüge liegen, die in Folge der deutschen Wiedervereinigung zu einer Verwerfung des Geschlechterarrangements kulminierten, welche letztlich für disproportionale Abwanderung und das Entstehen einer unausgewogenen Geschlechterproportion in den neuen Bundesländern verantwortlich sind“ (S. 5). Als zentrale Elemente der Bedingungsgefüge macht er neben der ökonomischen Situation in den neuen Bundesländern und der Verfassung des dortigen Arbeitsmarkts die Geschlechterarrangements in Bildung und Beruf aus. Er zeigt, dass in der DDR zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung die Tendenz von jungen Frauen zu höheren allgemeinbildenden Abschlüssen deutlicher ausgeprägt war als in der Bundesrepublik und dass sie auch in der beruflichen Qualifikation und den tatsächlich ausgeübten Berufen besser aufgestellt waren als Männer. Zudem war hier die Vollzeiterwerbstätigkeit für Frauen Normalität, wobei der Arbeitsmarkt wie im Westen geschlechtlich segregiert war, aber mit je anderen Ausprägungen: Der Frauenanteil in männerdominierten Berufen war deutlich höher als in der Bundesrepublik, und der Dienstleistungssektor blieb fast ausschließlich den Frauen vorbehalten. Diese spezifischen Bedingungen führten Kröhnerts Argumentation zufolge im Zusammentreffen des ostdeutschen Geschlechterarrangements mit dem westdeutschen Arbeitsmarktregime im Wiedervereinigungsprozess dazu, dass ostdeutsche männliche gegenüber weiblichen Jugendlichen im Bildungssystem zurückblieben und dass sich das traditionelle männliche Rollenbild in den neuen Bundesländern offenbar als weniger anpassungsfähig an die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen erweist.

Die biographischen und familiären Prägungen durch die ostdeutschen Geschlechterarrangements hätten junge Frauen prinzipiell mit besseren individuellen Ressourcen für den Umgang mit den gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen nach 1990 ausgestattet. So habe sich die ostdeutsche biographische Prägung von Frauen, gekennzeichnet durch hohe Wertschätzung ökonomischer Selbstständigkeit, hohe Bildungsaspiration und Orientierung auf Tätigkeiten im qualifizierten Dienstleistungsbereich, prinzipiell als besser passfähig zu dem marktwirtschaftlichen Leistungsgedanken und den individuellen Anforderungen durch den Umbau der gesamtdeutschen Industriegesellschaft erwiesen als die biographische Prägung der Männer. Diese resultiere zum Teil in einer Persistenz der hohen Wertschätzung klassischer männlicher Berufe (ungeachtet der tatsächlich realisierbaren Arbeitsmarktchancen) oder in Resignation vor den Anforderungen der modernen Gesellschaft, was sich durch eine eher geringe Bildungsaspiration bzw. Weitergabe einer solchen an die nachfolgende Generation äußere.

Das Aufeinandertreffen der besonderen gesellschaftlichen Bedingungen der Wiedervereinigung, die in den neuen Bundesländern zu einer Benachteiligung von jungen Frauen gegenüber jungen Männern geführt haben, mit deren geschlechtsspezifischen biographischen Ressourcen habe zu einer Situation geführt, in der die Abwanderung für junge Frauen aus beruflichen und privaten Gründen attraktiver als für junge Männer geworden sei. Unter Bezugnahme auf Erkenntnisse des bereits oben erwähnten Familiensurveys aus dem Jahr 2000 zum bildungsabhängigen Partnerwahlverhalten diskutiert Kröhnert weiter, dass das Bildungsgefälle zwischen den Geschlechtern die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass junge Frauen nicht nur aus Ausbildungs- und Arbeitsplatzgründen in den Westen abwandern, sondern dort auch überproportional häufig Partnerschaften mit Männern aus den alten Bundesländern eingehen und mit diesen Familien gründen. Dass junge ostdeutsche Frauen nach gut bzw. besser gebildeten und sozioökonomisch gut aufgestellten jungen westdeutschen Männern als Partnern suchen, wird nach Kröhnert zusätzlich durch die weiterhin schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie in den alten Bundesländern unterstützt, die eine Orientierung des Partnerwahlverhaltens auch an der möglichen ökonomischen Absicherung der Familie durch den Mann gemäß dem in Westdeutschland noch vorherrschenden, wenn auch modernisierten Ernährermodell fördert.

Die Ergebnisse der Studie schließen damit eng an die Ergebnisse der hier vorgestellten Untersuchungen von Heß und Lewis an. Vergleichbar mit Lewis’ kulturwissenschaftlichen Konstruktionen der Ost-West-Beziehungen zwischen den Geschlechtern zeigt Kröhnert mit sozialwissenschaftlichen Daten, dass ostdeutsche Frauen Beziehungen zu westdeutschen Männern präferieren, und wie Heß argumentiert er, dass die hierarchischere Struktur der westdeutschen Geschlechterverhältnisse, in denen das Ernährermodell noch immer Leitbildcharakter hat, den in der DDR erreichten Grad der ökonomischen Unabhängigkeit der Frauen von Männern zu untergraben droht. Wenngleich Kröhnerts Ziel wesentlich in einer Deskription quantifizierender Befunde liegt, so hätte seine Studie doch durch eine intensivere Einbettung und Reflexion seiner empirischen Ergebnisse in den Erkenntnisstand der Frauen- und Geschlechterforschung erheblich an Aussagekraft und Tiefenschärfe gewinnen können.

Im Fokus: Geschlechterverhältnisse und -konstruktionen in privaten Beziehungen

Ein wesentliches gemeinsames Moment der besprochenen Bücher liegt darin, dass die Geschlechterverhältnisse vor, während und nach der Wende als hierarchisch dargestellt und analysiert werden. Allerdings gehen nur Schröter, Ullrich und Ferchland so weit, diese Geschlechterverhältnisse als „patriarchal“ zu bezeichnen, während die anderen Autorinnen diesbezüglich zurückhaltender in ihrem wording, nicht unbedingt jedoch auch in ihrem inhaltlichen Gehalt sind. Es scheint, als habe der Wiedervereinigungsprozess auch die geschlechtliche Ungleichheit in Ost und West zusammengeführt und potenziert. Kröhnert hingegen reflektiert die Struktur der Geschlechterverhältnisse nicht näher, sondern beschränkt sich darauf, sie in ihrer Gestalt zu beschreiben. Ostdeutsche Männer erscheinen in seiner Studie als die Wendeverlierer; aber auch die ostdeutschen Frauen sind in seinen Ausführungen nicht einfach Gewinnerinnen der Wende, da sie ihren Lebensentwurf dem westdeutschen Geschlechter- und Arbeitsmarktregime anpassen müssen und die zu Zeiten der DDR erreichte ökonomische Unabhängigkeit durch Vollzeiterwerbstätigkeit und sozialpolitische Errungenschaften wie etwa institutionalisierte Kinderbetreuung einbüßen. Ihre Mobilitätsbereitschaft gen Westen affirmiert so betrachtet die hierarchische Struktur des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik.

Gemeinsam ist den hier vorgestellten Büchern auch, dass sie inhaltlich auf private Beziehungen fokussieren und dabei Geschlechterkulturen und -konstruktionen in den Blick nehmen. Hier, im Privaten, zeigen sich auch – neben dem längst vollzogenen Institutionentransfer von West nach Ost, der eine Angleichung des strukturellen und institutionellen Bedingungsgefüges von Lebensläufen und -entwürfen mit sich brachte – nach wie vor kulturelle Differenzen, die aus der immerhin vier Jahrzehnte hinweg kultivierten und tradierten Systemkonkurrenz von DDR und Alt-BRD resultieren und eine ungebrochen hohe Wirkmächtigkeit im Beziehungsalltag der Geschlechter entfalten. Hinsichtlich der herrschenden Geschlechterkulturen unterscheiden sich West- und Ostdeutschland gemäß der rezensierten Studien nach wie vor. Dies zeigt sich den Autor/-innen zufolge beispielsweise in den Einstellungen West- und Ostdeutscher gegenüber der Frauenerwerbstätigkeit, der Erziehung und Betreuung von Kindern und damit verbundenen Frauen- und Mütterleitbildern und zum Teil auch der familialen Arbeitsteilung. Eine wiederum gemeinsame Leerstelle in der Thematisierung und Problematisierung der Geschlechterverhältnisse und -konstruktionen stellen jedoch Männer- und Väterleitbilder in Ost und West dar. Ihnen wurde weder in der DDR noch in der Alt-BRD in politischer und wissenschaftlicher Hinsicht besondere Bedeutung beigemessen. Und doch, vielleicht sogar gerade deshalb, rücken sie in aktuellen Reflexionen der Ost-West-Geschlechterbeziehungen wie beispielsweise in Lewis’ kulturwissenschaftlicher Studie oder auch in Kröhnerts soziologischen Datenanalysen als das von Krisen geschüttelte und tendenziell mit der Bewältigung der Veränderungen überforderte Geschlecht in den Blickpunkt.

Damit sind zugleich auch weiterführende Forschungsfragen im Blick zurück nach vorn auf Geschlechterverhältnisse und -konstruktionen im Wiedervereinigungsprozess aufgeworfen. In diesem Sinn können die „Nachträgliche[n] Entdeckungen“ von Schröter et al. von DDR-Geschlechterverhältnissen in wissenschaftlichen, kulturellen und politischen Dokumenten nicht nur als Forschungsergebnisse in dokumentarischer Absicht interpretiert, sondern auch als Hinweis auf einen noch weiter zu erschließenden Quellenkorpus für die zeithistorische Frauen- und Geschlechterforschung gelesen werden. Darüber hinaus verdeutlichen die vorgestellten Studien aber auch, dass der gegenwartsbezogene und zukunftsgerichtete aufmerksame Blick auf Gleichheit und Differenz der wiedervereinigten Geschlechterverhältnisse keineswegs obsolet ist. Mit Pamela Heß gesprochen: „Die Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland […] dürfen nicht verdeckt oder übergangen werden – sie müssen artikuliert und analysiert werden.“ (S. 267) Differenzen an sich seien nicht schlimm, sondern Bestandteil unserer Gesellschaft. Differenz und Divergenz könnten gar fruchtbarer als Einheitlichkeit sein. Sie können sich vielmehr als Quelle von Entwicklung und Veränderung erweisen. Keineswegs geht es also darum, Differenz zu essentialisieren oder gar erst zu konstruieren, sondern darum, adäquat Kontinuitäten und Diskontinuitäten der Geschlechterverhältnisse und -konstruktionen unter Bedingungen des sich vollziehenden Struktur- und Institutionenwandels im Wiedervereinigungsprozess zu analysieren.

Quelle: 

fiogf49gjkf0d
querelles-net

Rezension: 12.11.2010

fiogf49gjkf0d
querelles-net

Reihe: Sozialwissenschaft

Steffen Kröhnert - Sag mir, wo die Frauen sind…
Ausprägung und Ursachen geschlechtsselektiver Abwanderung aus den neuen Bundesländern
978-3-8322-8516-6

fiogf49gjkf0d

Abstract: Im Mittelpunkt der Sammelrezension stehen fünf neuere, monographisch angelegte sozial- und kulturwissenschaftliche Studien zu Geschlechterverhältnissen und -konstruktionen im deutsch-deutschen Wiedervereinigungsprozess.... » mehr

Degefe Duressa Obo

Microfinance in Ethiopia:

Elixir or Poison?

fiogf49gjkf0d
In this dissertation for a PhD in development studies at the Institute of Social Studies at The Hague, The Netherlands, Obo examines microfinance institutions in his native Ethiopia. In particular, he assesses their operational and financial sustainability and their volume of operation; analyzes the scale and depth of the program outreach and relations with clients; evaluates institutional viability in terms of ownership, governance structure, institutional design and resources, and management of financial information systems; and assesses the impact of the regulatory and other financial policies of the government. There is no index. The price is converted from 35 Euros. (Annotation ©2010 Book News Inc. Portland, OR)

Quelle: 

fiogf49gjkf0d
NOVEMBER 2010 VOLUME 25, NUMBER 4

Rezension: 09.11.2010

fiogf49gjkf0d
NOVEMBER 2010 VOLUME 25, NUMBER 4

Reihe: ISS: Institute of Social Studies in Den Haag

Degefe Duressa Obo - Microfinance in Ethiopia:
Elixir or Poison?
978-90-423-0369-0

fiogf49gjkf0d
In this dissertation for a PhD in development studies at the Institute of Social Studies at The Hague, The Netherlands, Obo examines microfinance institutions in his native Ethiopia. In particular, he assesses their... » mehr

Steffen Kröhnert

Sag mir, wo die Frauen sind…

Ausprägung und Ursachen geschlechtsselektiver Abwanderung aus den neuen Bundesländern

fiogf49gjkf0d
Im Mittelpunkt der Sammelrezension stehen fünf neuere, monographisch angelegte sozial- und kulturwissenschaftliche Studien zu Geschlechterverhältnissen und -konstruktionen im deutsch-deutschen Wiedervereinigungsprozess. Bei aller Verschiedenheit in ihren disziplinären Zugängen zum Untersuchungsgegenstand, in methodologisch-methodischer Hinsicht und in ihren Positionierungen gegenüber den Ergebnissen ist ihnen in ihren Blicken zurück nach vorn auf die Wende eine Fokussierung auf private Geschlechterbeziehungen gemeinsam. Hier zeigen sich, so der Tenor der Publikationen, nach wie vor erhebliche Differenzen in den dominierenden Geschlechterkulturen in Ost- und Westdeutschland, die zugleich auch die asymmetrische Struktur des Beitritts der DDR zur Alt-BRD widerspiegeln.

Quelle: 

fiogf49gjkf0d
Querelles-net, Jg. 11, Nr. 3 (2010)

Rezension: 01.11.2010

fiogf49gjkf0d
Querelles-net, Jg. 11, Nr. 3 (2010)

Reihe: Sozialwissenschaft

Steffen Kröhnert - Sag mir, wo die Frauen sind…
Ausprägung und Ursachen geschlechtsselektiver Abwanderung aus den neuen Bundesländern
978-3-8322-8516-6

fiogf49gjkf0d
Im Mittelpunkt der Sammelrezension stehen fünf neuere, monographisch angelegte sozial- und kulturwissenschaftliche Studien zu Geschlechterverhältnissen und -konstruktionen im deutsch-deutschen Wiedervereinigungsprozess.... » mehr

Eckart Balz (Hrsg.)

Sollen und Sein in der Sportpädagogik

Beziehungen zwischen Normativem und Empirischem

fiogf49gjkf0d
Das Verhältnis von normativen und empirischen Aussagen durchzieht die Sportpädagogik in grundlegender Weise. Allerdings stehen Sollen und Sein oft noch unverbunden nebeneinander. Mit diesem Sammelband werden wechselseitige Beziehungen näher beleuchtet und reflexive Verknüpfungen gestärkt. Die problemorientierten Beiträge einschlägiger Autoren widmen sich erstens den möglichen Wegen und Desideraten einer empirischen Überprüfung sportpädagogischer Normen, zweitens den unaufgeklärten Problemen und Implikationen von sportpädagogischen Normen im Kontext empirischer Studien und drittens den fruchtbaren Bezügen und Vernetzungen von sportpädagogischen Normen mit empirischen Forschungsstrategien. Die Autoren und ihre Beiträge sind: 1. Balz, Eckart: Beziehungen zwischen Sollen und Sein - Einführung. I. Vom Normativen zum Empirischen? Probleme und Desiderate: 2. Neuber, Nils: Wirkungsforschung im Schulsport? - Probleme und Möglichkeiten der empirischen Überprüfung normativer Leitideen. 3. Hoffmann, Andreas: Empirische Desiderate einer normativen Fachdidaktik. 4. Kurz, Dietrich: Zwischen Sportartenkonzept und Doppelauftrag - Empirische Implikationen fachdidaktischer Konzepte. 5. Gogoll, André: Kompetenzmodelle für das Schulfach Sport - zur Fundierung und Empirisierung sportpädagogischer Bildungserwartungen. II. Normatives im Empirischen? Implikationen und Grenzen: 6. Röhner, Charlotte: Zur Konstruktion des Kindes in der neueren Kindheitsforschung. 7. Sygusch, Ralf; Brandl-Bredenbeck, Hans-Peter; Burrmann, Ulrike: Normative Implikationen sportbezogener Jugendforschung. 8. Wolters, Petra: Normativität und kasuistische Unterrichtsforschung. 9. Kuhlmann, Detlef: Über versteckte Schulsportideale in Schulsportstudien. 10. Bindel, Tim: Ethnographie als sportpädagogische Forschungsstrategie - Chancen und Schwierigkeiten. 11. Shierz, Matthias; Thiele, Jörg: Selbstbespiegelung als Aufklärung - Stücke zu einer reflexiven Methodologie. 12. Bahr, Ingrid: Beiträge einer Evaluationsforschung in der Sportpädagogik. 13. Neumann, Peter: Zur Empirie des Normativen: Differenzstudien. 14. Laging, Ralf: Sportpädagogische Verzahnung in der Handlungsforschung. 15. Stibbe, Günter: Lehrpläne Sport - Normatives vs. Empirisches. 16. Frohn, Judith: Koedukation: Normative Positionen und empirische Befunde. Buchrücken und Inhaltsverzeichnis

Quelle: 

fiogf49gjkf0d
BISp Recherchesystem Sport: Ausgabe Literatur

Rezension: 07.09.2010

fiogf49gjkf0d
BISp Recherchesystem Sport: Ausgabe Literatur

Reihe: Forum Sportpädagogik

Eckart Balz (Hrsg.) - Sollen und Sein in der Sportpädagogik
Beziehungen zwischen Normativem und Empirischem
978-3-8322-8339-1

fiogf49gjkf0d
Das Verhältnis von normativen und empirischen Aussagen durchzieht die Sportpädagogik in grundlegender Weise. Allerdings stehen Sollen und Sein oft noch unverbunden nebeneinander. Mit diesem Sammelband werden wechselseitige... » mehr

Eckart Balz (Hrsg.)

Sollen und Sein in der Sportpädagogik

Beziehungen zwischen Normativem und Empirischem

fiogf49gjkf0d
Beitrag: Beiträge einer Evaluationsforschung in der Sportpädagogik
Autorin: Bähr, Ingrid
Fundstelle:S. 141-154, Lit.

Wirkungsfeld der Sportpädagogik ist der Schulsport. Hier wird die sportpädagogische Leitfrage nach dem „Wozu?“ mit dem Doppelauftrag des Sportunterrichts beantwortet. Dieser integriert fachliches und persönlichkeitsbezogenes Lernen. Das Subjekt (der Schüler) setzt sich dazu bewegungsbezogen mit der materialen und sozialen Umwelt auseinander. Sportunterricht kann als leibliche Aneignung eines demokratischen Habitus interpretiert werden. Erfolgreiche Evaluationsforschung setzt diese sorgfältige Zielexplikation voraus. Sie beurteilt die Maßnahmen zur Umsetzung methodischer Konzepte, das Programm oder Design sozialer Interventionsmaßnahmen und macht Vorschläge zur Verbesserung ihrer Wirkung.Lehrerhandeln und Lehrumgebung sind dabei Variablen die (Selbst-)Bildung ermöglichen aber nicht verursachen. Die Selbsttätigkeit des Subjekts ist der zentrale Mechanismus. Empirische Unterrichtsforschung stellt sich sehr komplex dar. Gleichzeitig eine summative Evaluation der Wirkung der Maßnahme und eine formative Evaluation als Prozessbegleitung durchzuführen, ist kaum möglich. Eine empirische Brücke zur Analyse dieses komplexen Gebildes bietet beispielsweise die Denkfigur des Angebot-Nutzungs-Modells.Längsschnittstudien die das Hauptaugenmerk auf das Handeln des Lernenden legen sowie eine Berücksichtigung der gesellschaftliche Legitimation des Faches, sind in die Studien mit zu integrieren. Mit der durch PISA angeregten Bildungsdiskussion erlebt die Evaluationsforschung seit kurzem einen Aufwind, was die Veröffentlichungszahlen auf diesem Gebiet zeigen. Untersuchungen beschäftigen sich zumeist mit den Effekten des Sportunterrichts und des Sports. Verf. schlägt vor, dass man dieses Betrachtungsfeld auch auf den informellen, nicht pädagogischen Sport erweitern sollte, indem man für diesen konkrete Maßnahmen und pädagogische Zielsetzungen formuliert. Für einen bildungstheoretisch fundierten Forschungsansatz gibt Verf. ein konkretes Beispiel, dass sich mit dem kooperativen Lernen im Sportunterricht auseinandersetzt und dem Ideal der Integration fachlichen und persönlichkeitsbezogenem Lernen sehr nahe kommt. Ziel dieses Ansatzes ist es, eine Komplexität zu erreichen, die das Zusammenwirken von Lernumgebungsgestaltung und dem sich darin ereignenden Schülerverhalten erfasst. Dabei kann man mithilfe der Ergebnisse, prozessuale Befunde mit Lerneffekten vergleichen und die Umsetzbarkeit des Konzeptes in der Praxis aufzeigen. Wie Verf. abschließend ergänzt, scheitert bisher die beabsichtigte Vernetzung der bereits gewonnenen Ergebnisse an unterschiedlichen theoretischen Fundierungen sowie den variierenden Untersuchungsdesigns und forschungsmethodischen Aspekten.


Beitrag: Empirische Desiderate einer normativen Fachdidaktik
Autor: Hoffmann, Andreas
Fundstelle: S. 25-36, Lit.

Die Fachdidaktik des Schulsports und die empirische Bildungsforschung sind Grundbausteine sportpädagogischer Wissenschaft. Die Fachdidaktik als normativ geprägter und die empirische Bildungsforschung als ein nicht-normativer Eckpfeiler stehen sich dabei kontrovers gegenüber und stellen die Frage nach der Kombinierbarkeit beider. Die Tendenz innerhalb der Erziehungswissenschaften, in der Empirie nur einen geringen Stellenwert hat, bestätigt sich auch in der Sportpädagogik. Es fehlt sowohl quantitativ als auch qualitativ an empirischen Studien. Quellenanalysen sportpädagogischer Literatur zeigen, dass sich von 1.200 sportwissenschaftlichen Beiträgen nur 20 Prozent auf eigenständig erhobene Daten berufen. Schulsport wurde dabei jedoch in 60 Prozent aller Quellen thematisiert. Die Hauptgründe sind dabei laut Verf. die geisteswissenschaftlich-hermeneutische Ausrichtung der Pädagogik als solche, die sich mit dem komplexen Gebilde des Sport treibenden Menschen auseinandersetzt, sowie die bisher defizitäre Anerkennung und Förderung des Fachgebietes. Verf. weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine rein auf Messbarkeit bedachte Empirie zwar nur eingeschränkt der Komplexität des Sportunterrichts gerecht wird, aber gerade in Zeiten von Bildungsstudien es dennoch notwendig ist, Vergleiche mithilfe klassischer Gütekriterien zu ermöglichen. Eine Didaktik kann nämlich nur dann über das Alltagsniveau hinausreichen, wenn sie empirisch an die Realität gebunden ist. Anhand aktueller Studien lassen sich positive Entwicklungen erkennen, die mit einer Umorientierung innerhalb der Sportpädagogik in Verbindung gebracht werden können. Oltersdorff-Kalettka


Beitrag: Ethnographie als sportpädagogische Forschungsstrategie : Chancen und Schwierigkeiten
Autor: Bindel, Tim
Fundstelle:S. 117-127, Lit.

Beschreibungen aufgrund von Beobachtungen, Ethnographien oder Videographien gewinnen in der forschenden Sportpädagogik immer mehr an Bedeutung, womit der Einfluss des Untersuchenden bei der Erhebung und Auswertung der Daten erheblich steigt. Verf. zeigt die Bedeutung der Ethnographie in der pädagogischen Forschung auf und stellt gleichzeitig die Diskrepanz zwischen offener Forschungshaltung und normativer Zielsetzung in der ethnographischen Forschung dar. Sportpädagogische Empirie ist laut Verf. in die Bereiche der Forschung in direkten sportpädagogischen Feldern (Schule und Sportunterricht) und in die Untersuchungen zentraler Begrifflichkeiten einzuteilen. Die Theorien (als normative Paradigmen) sind eng mit der Praxis (Wirklichkeit) verknüpft und haben daher Einfluss auf die Methodik. Diese wird nur geringfügig diskutiert und beschränkt sich zumeist auf Zielgerichtetheit. Verf. fordert die Öffnung zur qualitativen, flexiblen Forschung und beschreibt beispielhaft die Möglichkeit der Ethnographie. Der Umgang mit Kinderkulturen ist für pädagogisches Handeln unumgänglich, Ethnographie macht diese von innen heraus verständlich und stellt das methodische Instrumentarium zur Verfügung: Mehrperspektivität zur Erkenntnis und Reflexivität als Analyseinstrument. Verf. verdeutlicht dazu die Anwendungsmöglichkeit anhand eines Beispiels. Er zeigt, dass Verständnis und Analyse der Adressaten (hier Schüler) vor dem normativen Eingreifen notwendig sind um Misserfolge zu vermeiden. Selbstverständlichkeiten gilt es demnach zu hinterfragen. Die Durchführung einer ethnographischen Untersuchung ist zeit- und kostenintensiv und das Verhältnis zur Pädagogik ist problematisch. Eine offene Herangehensweise wirkt willkürlich, bedingt einen sich ändernden Forschungsfokus und damit ständig variierende Fragestellungen. Zielgerichtete Untersuchungen, die finanzielle Träger finden, sind daher schwierig. Sich ganz der theoretischen Vorkenntnis und gewissen Normen zu entledigen ist kaum möglich. Daher ist die Ethnographie zwar bedeutsam jedoch in Geflecht von Empirie, Theorie und Normativität kaum umsetzbar und dient der Anregung und dem reflektierten Umgang. von Oltersdorff-Kalettka


Beitrag: Koedukation : Normative Positionen und empirische Befunde
Autoren: Frohn, Judith
Fundstelle:S. 187-199, Lit.

Koedukation ist ein Konzept, dass sich im Spannungsfeld von Theorie und Schulsportpraxis befindet. Die fachdidaktische Perspektive und die wechselseitigen Bezüge zur Geschlechterforschung und Praxis sind Inhalt dieses Beitrages. Die Entwicklung des Begriffes für ein soziales Geschlecht (gender) legitimiert dabei pädagogische und erzieherische Interventionen. Der Begriff Koedukation hingegen floss erst mit der emanzipatorischen Entwicklung Mitte der 1970er Jahre mit in die fachdidaktische Überlegungen ein, da der Begriff des rein biologischen Geschlechts (sex) nicht mehr überzeugend war. Gerade in der Pädagogik und im Sport halten sich die Geschlechterstereotype sehr hartnäckig und wirken als soziale Normen auch wenn sich die Bandbreite der typischen Geschlechtereigenschaften bis heute um einiges vergrößert hat. Die Koedukationsdebatte im Sportunterricht folgt dabei den theoretischen Perspektiven der Geschlechterforschung, die Defiziten und Differenzen entgegenwirkt und mit sozialer Konstruktion verbunden ist. Mit dem ersten Scheitern emanzipatorischer Bemühungen im konstruktiven Sportunterricht, spannt Verf. die Phasen der Koedukationsdebatte über den Differenzansatz bis in die heutige Zeit. Die aktuelle Phase der Koedukation ist mit einer Geschlechtersensibilität und reflexiven Koedukation verbunden. Sie erhebt hohe Ansprüche an die Lehrkraft, die ein berufliches Selbstverständnis zum Thema Koedukation entwickeln soll. Wie die Empirie zeigt, ist der Erfolg noch dürftig und die männliche Bevorzugung noch allgegenwärtig. Dies zeigt sich in der Dominanz der Sportspiele und in unterschiedlichen Leistungsbewertungen von Jungen und Mädchen. Es scheitert an mangelnder Vielfalt der Sportarten und der Bereitschaft sich in neue Bewegungsfelder einzuarbeiten. Zuschreibungen erfolgen qua Geschlecht, Stereotype werden verfestigt und individuelle Potenziale spielen kaum eine Rolle. Lehrpläne und Richtlinien geben den Umgang mit Koedukation vor. So wird in der Grundschule koedukativ, in der Sekundarstufe I geschlechtergetrennt und in der Sekundarstufe II wieder koedukativ unterrichtet. Schulformunterschiede sind jedoch empirisch nicht belegbar und fragwürdig. Befunde legen nahe, dass es nicht allein die Organisationsform ist, die Koedukation fördert, sondern die Inszenierungsweise, die Homogenität der Lerngruppe, die Haltung und das Alter der Lehrkraft sowie das Unterrichts- und Schulklima. Eine koeduaktive Forschung ist daher auch weiterhin notwendig, damit es in der Praxis zu Veränderungen kommen kann. von Oltersdorff-Kalettka


Beitrag: Kompetenzmodelle für das Schulfach Sport : zur Fundierung und Empirisierung sportpädagogischer Bildungserwartungen
Autor: Gogoll, André
Fundstelle: S. 49-62, Lit.

Mit dem Abschneiden Deutschlands bei PISA und TIMSS wurde eine bildungspolitische Diskussion in Gang gebracht. Der Tenor ging dahin, dass Schülerleistungen sich an realisierbaren Bildungszielen orientieren müssten. Dazu sollten sie auf einem theoretisch fixierten, operationalisierbaren und damit empirisch überprüfbaren Modell basieren. Verf. stellt allgemeine und speziell auf den Sportunterricht anwendbare Kompetenzmodelle und die mit ihnen verbundenen Probleme dar. Er spannt den Bogen vom „Modell allgemeiner Bildung“ nach Baumert und dessen Modi der Weltbegegnung bis hin zu den Basiskompetenzen als formale Seite allgemeiner Bildung. Kern der Kompetenzdefinition ist, dass kognitive Leistungsdispositionen zur Lösung von Problemen in ganz spezifischen Lern- und Handlungsfeldern erlernbar sind. Kompetenz ist daher nicht auf einer Ebene mit Bildung und Intelligenz zu sehen. Sie ist verantwortliche Handlungsfähigkeit. Sie wird erworben und ist Interventionen ausgesetzt. Der Begriff der jeweils speziellen Kompetenz darf dabei nicht zu breit bzw. eng gefasst werden und sollte sich auf wiederkehrend ähnliche Anforderungen beziehen. Durch das Herauslösen des Kompetenz- aus dem Bildungsbegriff, können Kompetenzen mithilfe von Kompetenzmodellen theoretisch fixiert und der Empirie zugänglich gemacht werden. Gleichzeitig ermöglichen sie, dass schulische Bildungserwartungen konkretisiert werden, was die Ursachenforschung der Schulleistungsforschung erleichtert. Die als Beispiel gezeigten Kompetenzmodelle nach Hummel und Franke sind erste Schritte einer kompetenztheoretischen Überlegung. Die Arbeit an den Kompetenzmodellen im Fach Sport befindet sich noch in den Anfängen. Sie sollte laut Verf. von den gesamten allgemeinbildenden Möglichkeiten des Fachs ausgehen, da diese in großem Maße mit den sportspezifischen Bildungserwartungen und dem Kulturbereich „Bewegung, Spiel und Sport“ korrelieren. von Oltersdorff-Kalettka


Beitrag: Lehrpläne Sport : Normatives vs. Empirisches
Autor:Stibbe, Günter
Fundstelle: S. 176-186, Lit.

An der Wirksamkeit deutscher Lehrpläne wird seit internationalen Leistungsvergleichsstudien immer wieder gezweifelt. Ein Wandel mit der Tendenz zu standardorientierten Kerncurricula und schuleigenen Lernplänen entwickelte sich, der Innovationen im Unterrichtsprozess und der Bildungspolitik hervorrufen sollte.Lehrpläne sind gesellschaftspolitisch gewollte Vorstellungen darüber, wie Schulen und Sportunterricht idealtypisch sein sollen. Sie sind programmatische Grundlage und Orientierung für den Lehrer, mit dem eine Absichterklärung und ein Planungskonzept verbunden sind. Das Problem der Lehrpläne besteht in ihrer nur begrenzten Steuerung, denn ihre Auslegung und Umsetzung ist individuell unterschiedlich und führt zu einer sog. Rekontextualisierung. Sie werden zur Unterrichtsstrategie, die dem Unterrichtsalltag angepasst ist. Entscheidenden Einfluss haben die Lernvoraussetzungen und –möglichkeiten. Neuere Lehrplantendenzen umfassen eine pädagogische Profilierung zum erziehenden Sportunterricht mit der Orientierung am Doppelauftrag. Der Lehrplan Nordrhein- Westfalens ist Vorbild dessen. Dieses ist bis heute mit Umsetzungsproblemen und erheblichem Professionalisierungsbedarf verbunden. Die Lehrpläne sollten sich im Sinne der Bewegungsfeldorientierung öffnen und flexiblere Gegenstandsbereiche beinhalten. Damit stehen sie künftigen Entwicklungen und örtlichen Spezifika wandlungsfähiger gegenüber. Bisher ist die Akzeptanz dessen noch nicht ausgereift.Auch die Gestaltungsspielräume der Schule und ihre schuleigene Lehrplanarbeit können durch verringerte Festlegungen und Verbindlichkeiten erweitert werden. Freiräume schaffen, so dass die Schulen ihr persönliches, selbstbestimmtes Profil entwickeln können. Eine arbeitsfähige Fachkonferenz ist daher unabdingbar, die Kooperation steht jedoch häufig noch auf Kinderbeinen. Letzte wichtige Tendenz ist die Standard und Kompetenzformulierung um der Forderung nach einheitlichen, outputorientierten Bildungsstandards nachzukommen. Nur damit lassen sich Rückschlüsse auf den Erfolg schulischer Maßnahmen ziehen. Diese fordern hohe Kompetenzen der Lernperson und sind bisher zu kurz gefasst um ein klares Bild zu entwickeln und etwaigen Unterrichtsproblemen aus dem Weg zu gehen. Mehr Erfolg versprechende Lehrplanumsetzungen sind daher mit veränderten Lehrplanentwicklungen verbunden, die die Lehrkraft mehr einbinden, die verständliche und prägnante Lehrpläne und günstige Rahmenbedingungen schaffen, sowie diese über Einführungsveranstaltungen dem Lehrenden näher bringen. von Oltersdorff-Kalettka


Beitrag: Normative Implikationen sportbezogener Jugendforschung
Autoren:Sygusch, Ralf; Brandl-Bredenbeck, Hans Peter; Burrmann, Ulrike
Fundstelle:S. 77-92, Lit.

Empirische, sportbezogene Jugendforschung untersucht die Sozialisationsprozesse in den Sportvereinen. Hier hat es einen Sinneswandel vom „Sport stärkt“ über „Sport kann stärken“, zum heutigen „Sport soll stärken“ gegeben. Die vermutete Wirkung des Jugendsports im Verein reicht über die Entwicklung rein sportlicher Handlungs- und Leistungsfähigkeit hinaus zur ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung, die die Arbeit in den Schulen ergänzt. "Sport stärkt“: Dazu versuchen Verf. normative Implikationen der Vereinssportpotenziale darzustellen und erfassen den derzeitigen Forschungsstand zu den vermuteten Wirkungen des Vereinssports auf Kinder und Jugendliche. Die Autoren beenden die Ausführungen mit einzelnen normativen Konzepten. Das dargestellte sportbezogene Sozialisationskonzept erklärt modellhaft die Wirkung der Jugendarbeit in Sportvereinen. Der Verein kann es schaffen, ausgehend von den jeweiligen Lebenslagen, ein Sportengagement in Kindern zu entwickeln, welches dann positive Auswirkung auf ihre sozialen, kognitiven und personalen Ressourcen haben kann, wichtig zur Bewältigung jugendtypischer Entwicklungsaufgaben und Alltagsbelastungen. „Sport kann stärken.“: Den empirischen Forschungsstand fassen Verf. in Unterpunkten zusammen. Angelegt als Querschnittsstudien beweisen sie nur schwache positive Effekte. Stichhaltige empirische Belege fehlen. Die Frage nach dem “kann Sport wirklich stärken?“ ist ungeklärt. Sportvereinsarbeit basiert als Ergebnis dessen heutzutage auf zwei Intentionen: der Förderung des Sportengagments und der Unterstützung der jugendlichen Entwicklung. In der Forschung ist ein Wandel notwendig, der sportliche Entwicklung konkret untersucht und zu normativen Implikationen führt. Verf. stellen Ressourcen, Ziele und notwendige Methoden dar um dieses zu erreichen. Ergebnis der Betrachtung ist ein Förderkonzept mit fünf Basisressourcen und sechs Kernzielen, basierend auf einer Methodik der Sportartenorientierung„Sport soll fördern“. Der bisherigen Untersuchungsweise müssen demnach Längsschnitt- und Interventionsstudien weichen, die mehr Kausalitätsaussagen ermöglichen. Entscheidend sind Überlegungen darüber, was sportliche Aktivität allein tatsächlich zu leisten im Stande ist. von Oltersdorff-Kalettka


Beitrag: Normativität und kasuistische Unterrichtsforschung
Autorin: Wolters, Petra
Fundstelle: S. 93-103, Lit.

Die Debatte ob erziehungswissenschaftliche Forschung Werturteile enthalten soll, kann oder dürfte, wird in der Wissenschaft schon lange diskutiert. Wandte man sich zuerst wie Brezinka komplett gegen Normativität, so lockerte sich diese Ansicht mit Böhm und Schulz. Pädagogik kommt, so die neuere Auffassung, nicht ohne Normen aus. Aufgabe der Erziehungswissenschaft ist es nunmehr, die immanenten Normen der Praxis aufzuklären. Kasuistik als Fallarbeit dient dabei der erfahrungswissenschaftlichen Untersuchung der Unterrichtswirklichkeit, die zu Kategorisierungen führt, die das unterrichtliche Handeln rationalisieren und verbessern. Damit wird der Gefahr der Gewohnheit, des didaktischem Dogmatismus und dem Zufall vorgebeugt. Für aufgestellte Theoreme ist demnach entscheidend, wie sie helfen didaktische Situationen auszulegen und sie dann besser zu verstehen. Theorie soll dabei aus der Praxis gewonnen werden, nicht umgedreht. Gerade die Diskrepanz von Absicht und Wirkung im Unterricht und die dabei auftretenden Probleme sind Gegenstand kasuistischer Foschung. Fakten, Normen, Probleme und Lösungen sind die sich wechselwirkend beeinflussenden Faktoren im Unterrichtsgeschehen. Die Vorstellung von vier verschiedenen kasuistischen Theorien zeigt, dass sich die Forschung zwischen normativen Implikationen und einer angestrebten Wertfreiheit bewegt und damit Normativität skeptisch gegenübersteht. Normen sind interpretierbar und ohne Situationsbezug nur leere Formeln. Sie sind inhaltlich verschieden oder gleichzeitig anwendbar und zum Teil nur schwer zu realisieren. Normen und Lösungen stehen damit in einem Missverhältnis zueinander, welches unterschiedlich abgebaut werden kann. Kasuistik gibt für konkrete Unterrichtssituationen Handlungsempfehlungen. Grundtendenz zur Entwicklung dieser Theoreme gibt der kasuistische Zirkel in dem Normen, Fälle und Auslegungen einander bedingen. Damit verfolgt Kasuistik das Ziel der Erkenntnisgewinnung aus alltäglichen Fällen und der Beratung im Praxisalltag. von Oltersdorff-Kalettka


Beitrag: Selbstbespiegelung als Aufklärung : Stücke zu einer reflexiven Methodologie
Autoren:Schierz, Matthias; Thiele, Jörg
Fundstelle: S. 127-139, Lit.

Verf. stellen in diesem Beitrag empirische Projekte der Sportpädagogik vor und untersuchen diese auf ihre impliziten normativen Voraussetzungen und Anteile. Es zeigt sich, dass Empirie und Normativität dabei in enger Wechselwirkung zueinander stehen. Zur Reflektion distanzieren sich Verf. und entwerfen damit eine reflexive Perspektive. Ziel ist es einen Selbsteinschluss der Methodologie in das Beobachtete zu erreichen. Die kontrovers diskutierte Praxisforschung bedarf beispielsweise verschiedenster normativer Vorgaben. Sie sollte sich mit konkreten Schulalltagsproblemen befassen. Die angewendeten Methoden sollten Lehrende und Studierende kennen und verstehen. Letztlich sollen mit den Ergebnissen Entwicklungsperspektiven für die eigene Schule entwickelt und diese auch für andere Schulen zugänglich gemacht werden. Wie aber ein Modellversuch in Niedersachsen zur Förderung sportlicher Talente zeigt, können normativ aufgeworfene Fragen auch trotz Schaffung von Orientierungsrahmen und einer pädagogischen Sinngebung nicht immer beantwortet werden. Eine empirische Praxis vor Ort, abgestimmt auf die jeweiligen Anforderungen ist von Nöten. Nur durch die externe Beobachtung durch Unbeteiligte ist Praxisforschung sichtbar, reflektierbar und analysierbar. Normative Forderungen an die Praxis sind von den normativen Forderungen an die Forschung nicht zu trennen. Der Erfolg der Praxisforschung liegt im reflektierten Gewinn von utopischer Normativität, welche Chancen und Risiken schafft. Auch distanzierte Forschungsstrategien wie das Beispiel der „Täglichen Sportstunde an Grundschulen in NRW“ können dem Ideal völliger Normfreiheit und Objektivität nicht entsprechen. Sie erklären jedoch klar die Verbindung normativer und empirischer Erkenntnisse und halten diese bewusst im Forschungsprozess. Dabei ist die Forschung durch gesellschaftliche Rahmung und die öffentliche Diskussion geprägt, was mit veränderten normativen Voraussetzungen und Folgeprobleme in der Themeneinbeziehung, Methodik und Darstellung verknüpft ist. Je nach Forschungstyp ist demnach ein spezifischer Modus der Objektkonstruktion notwendig. von Oltersdorff-Kalettka


Beitrag: Sportpädagogische Verzahnung in der Handlungsforschung
Autoren: Laging, Ralf
Fundstelle:S. 164-175, Lit.

Eine Aufgabe sportpädagogischer Studien liegt in der Innovation schulischer und unterrichtlicher Praxis, bei der die Forschung eng mit der Praxis verzahnt ist und die Schulen berät und begleitet. Ein Balanceakt, der am Beispiel der Ganztagsschulentwicklung mit dem Projekt StuBSS (Studie zur Entwicklung von Bewegung, Spiel und Sport in der Ganztagsschule) näher beschrieben wird und sich in diesem Fall in die handlungsorientierte Schulbegleitforschung einordnen lässt. Aufgrund des theoretischen und konzeptionellen Rahmens verzahnen sich normative Vorstellungen und empirische Schulforschung. Kernpunkte einer Handlungsforschung sind die direkte Forschungsbeteiligung der Lehrkräfte als Praxisexperten und eine intendierte Veränderung der Praxis. Der Forschungsprozess läuft nicht linear, sondern ist wechselseitig von Teilergebnissen durchdrungen. Ziel ist die direkte Unterstützung von Schulentwicklungsprozessen in der konkreten Praxis der Schule. Das Bewegungsverständnis der Ganztagsschule, welches sich im Konzept der Schule zeigt, soll durch einen „fremden Blick“ erforscht werden. Hierzu wurden Schulportraits, also Fallstudien zur Untersuchung herangezogen. Die Verfahren waren leitfadenorientierte Interviews, Gespräche, Gruppendiskussionen und Beobachtungen der Lehrer, der Lernenden und der Schulleitung, sowie Feldaufzeichungen und Dokumentanalysen. Für das mehrstufige Auswertungsverfahren dienten der „wissenschaftliche Quellentext“, das offene Kodieren und eine Kombination aus offenem und thematischen Kodieren. Es entstand eine thematische Struktur entlang derer das Schulportrait entwickelt wurde. Die Studien zeigen die faktische Wirklichkeit bezüglich der Bewegungsperspektive und enthalten Entwicklungsperspektiven und Potenziale. Sie dienen daher in den Schulen zur Validierung, Präsentation und Entwicklungsarbeit. Das Schulportrait als Evaluationsinstrument gibt Schulentwicklungsperspektiven die sich in Veränderungen hinsichtlich der Sensibilisierung des Themas „Bewegung“ bis hin zu einer eindeutigen Tendenz in Richtung bewegungsorientierte Ganztagsschule zeigen. Anhand eines Praxisbeispiels wird dieses Potenzial der Schulportraits noch einmal verdeutlicht. von Oltersdorff-Kalettka


Beitrag: Über versteckte Schulsportideale in Schulsportstudien
Autor: Kuhlmann, Detlef
Fundstelle: S. 105-115, Lit.

Verf. versucht anhand der DSB SPRINT Studie sowie der Bayern Studie die vorhandene Beziehung zwischen Normativem und Empirischem darzustellen. Er untersucht innewohnende Schulsportideale und hinterfragt diese nach normativen Implikationen. Generell werden in beiden Studien Schulsportideale implizit vorausgesetzt. Diese stille Verzahnung von Sollen und Sein und die Kontrastierung von Anspruch und Wirklichkeit sind Teil des differenzanalytischen Ansatzes und stehen im Fokus dieser nachträglichen Untersuchung. Hierzu betrachtet Verf. den idealen Fachauftrag, die Idealbilder in den Inhaltskatalogen und des Sports im Schulleben und endet mit dem Idealbild einer Sportlehrkraft. Der Fachauftrag wird in beiden Studien nur erhoben und geht nicht von deren Realisierung aus, ferner korrelieren die Statements der Erhebung auch nicht mit den ministeriellen Vorgaben. Der Fachauftrag wird somit idealisiert. Die DSB SPRINT Studie macht hinsichtlich des Inhaltskataloges keinen Unterschied zwischen Sollen (lt. Richtlinien) und Sein (tatsächlich unterrichtet), hinterfragt aber Schülerwünsche. Deren Ideen können als ein Teil des Inhaltskatalogs idealisiert werden. Die Bayern Studie hat hingegen das Idealbild einer inhaltlichen Vielfalt und Ausgewogenheit. Sie untersucht ferner Trendsportideen und den Einfluss des Spaßfaktors. Dem Stellenwert des außerunterrichtlichen Sports widmet die DSB SPRINT Studie große Aufmerksamkeit. Die Ergebnisse zeigen die Tendenz zur Vielfalt und Offenheit der Angebote sowie zur Diffusion. Die strukturellen Rahmenbedingungen können dabei Möglichkeiten eröffnen oder begrenzen. Die Bayern-Studie begrenzt außerunterrichtlichen Sport auf Projekte und Kooperationen. Dazu werden interne (klassen- jahrgangsübergreifender Unterricht) und externe Vernetzungen (Verbände, Vereine) des Schulsports angestrebt. Die DSB-SPRINT Studie beweist, dass das Idealbild des Sportlehrers weit vom Realbild abweicht. Die Lehrkräfte haben häufig keine akademische Ausbildung und sind überaltert. Schülerbefragungen zeigen wie Sportlehrer sein sollen. Verf. stellt die Wahl der Prädikatenliste für eine Sportlehrkraft jedoch in Frage. Er schafft es mit dem Beitrag einen Überblick über das Sollen und Sein in der Sportpädagogik zu geben, beispielhaft an den gewählten Studien. von Oltersdorff-Kalettka


Beitrag: Zur Empirie des Normativen : Differenzstudien
Autor:Neumann, Peter
Fundstelle: S. 155-163, Lit.

Verf. versucht mit seinem Beitrag die Differenz zwischen bildungspolitischem Anspruch und schulischer Wirklichkeit zu bestimmen und zu bewerten. Die Ansprüche als Forderungen in den unterschiedlichen pädagogischen Anspruchsebenen beziehen sich auf die jetzige und sind gleichzeitig Forderungen an die zukünftige Wirklichkeit. Sie sind demnach Projektionen der Wirklichkeit. Sie können fremd oder selbst gesetzt sein und sich auf das Soll oder Ist beziehen. Differenzstudien befassen sich dabei hauptsächlich mit der Verwirklichung der Fremdansprüche und untersuchen in Form von Bestandsaufnahmen die Verwirklichung oder Nichtverwirklichung dieser pädagogischen Ansprüche. Dabei erfolgt die Differenzbestimmung mithilfe von Interviews, Diskussionen und Beobachtungen, die zum Verständnis und anschließender Bewertung und Reflektion der Differenz führen. Die Bewertung der Ergebnisse ist dabei stark von den jeweiligen pädagogischen Ansprüchen abhängig. Ergebnisse können zu einer Anspruchspräzisierung, -reduktion oder Wirklichkeitsverbesserung führen. Sie schaffen es jedoch nicht die Wirklichkeit lückenlos darzustellen. Probleme bei der Arbeit können dadurch eintreten, dass die Befragten, die normativen Vorgaben nicht hinterfragen und es im Zuge der Studie zu einer Fixierung der nachgefragten Ansprüche kommt. Die Differenzstudien haben den Anspruch, dass die Fachwissenschaften von den schulsportlichen Bedingungen und Verwirklichungen Notiz nehmen, mit dem Ziel einer Reflektion über die Angemessenheit pädagogischer Ansprüche. Differenzstudien sind einschlägig und in der fachdidaktischen Forschung weit verbreitet. Ihre spezifische Logik ermöglicht eine thematische Offenheit. Sie ermöglichen eine Kombinierbarkeit mit quantitativen Methoden, die die Aussagekraft der qualitativen Daten erhöhen. Sie sind erweiterbar und stark praxisorientiert und damit eine effektive Variante der sportpädagogischen Forschung. von Oltersdorff-Kalettka


Beitrag: Zur Konstruktion des Kindes in der neueren Kindheitsforschung
Autorin:Röhner, Charlotte
Fundstelle:S. 63-75, Lit.

Ausgehend von einer populärwissenschaftlichen Quelle versucht Verf. einen kurzen Überblick über die Kindheitsforschung der neueren Zeit zu geben. Sie schlägt den Bogen vom Kind als Entwicklungswesen, über das OPIA- (Ontological Passively Idyllic Apolitical) hin zum CAMP- (discursively Constructed Actively acting Modernized Politically Contested) Kind und endet mit neueren sozialwissenschaftlichen Diskursen der Kindesforschung sowie der Kritik jener. Biologisch-psychologisch gesehen ist das Kind ein in der Entwicklung stehendes Individuum, das auf die Erwachsenen angewiesen ist, sozialstrukturelle und gesellschaftliche Bedingungen bleiben außer Betracht, das Kind wird rein ontologisch-naturalistisch betrachtet. Dieser normativen Implikation setzt die neuere Kindheitsforschung eine antipädagogische Grundtendenz entgegen, die die Eigenständigkeit der Kinder fordert. Man kehrt sich damit klar von der klassischen Sozialisationstheorie ab. Der Diskurswandel des Kindheitsbegriffs in der Sozialwissenschaft ist anhand des Übergangs vom OPIA-Kind hin zum CAMP-Kind nachvollziehbar. Kinder sind demnach nicht mehr inkompetent, unwissend und unfertig, sondern Autoren ihrer eigenen Entwicklung und interpretieren ihre Umwelt. Kinder sollen zur Sozialberichterstattung direkt befragt werden (früher meist indirekt über Erwachsene) und sind autonome Individuen, die Rechte besitzen (UN-Konvention für die Rechte des Kindes) und an der Gesellschaft teilhaben. Neueste Kindheitsforschungen befassen sich daher mit gesellschaftlichen Risikolagen, wie Kinderarmut, Migration und ethnischer Differenz, sowie dem Verhalten der Kinder in Peer-Groups. Die Ethnomethodologie wird angewandt um die soziale Eigenwelt der Kinder näher zu erforschen. Verf. kritisiert jedoch, dass die neueren Modelle die Phasenmodelle der Ontogenese und damit Bildung als lebenslangen Lernprozess außer Acht lassen sowie die Kinder den Erwachsenen gleichstellen. Kindern wird ihre biologische Leiblichkeit und die generationale Ordnung entzogen. Kindheit zeigt sich daher je nach pädagogischer, erziehungswissenschaftlicher oder sozialwissenschaftlicher Interpretation als ein unterschiedlich zu interpretierender Begriff, der einem stetigen Wandel unterliegt. Für jede sozialwissenschaftliche Forschung ist daher eine Reflexion des inhärenten Kindheitsbildes und –verständnisses unabdingbar. von Oltersdorff-Kalettka


Beitrag: Zwischen Sportartenkonzept und Doppelauftrag : Empirische Implikationen fachdidaktischer Konzepte
Autor: Kurz, Dietrich
Fundstelle:S. 37-47, Lit.

Sportunterricht hat der von der Bildungspolitik geforderten Aufgabe zur Erfassung von Unterrichtsergebnissen („output“) nachzukommen. Empirische Untersuchungen, die dieses „Sollen und Sein“ im Sportunterricht darstellen, sind jedoch nur in Ansätzen zu finden. Verf. beschränkt sich bei seiner Soll-Analyse auf die beiden fachdidaktischen Konzepte „Sportartenkonzept“ und „Doppelauftrag“. Er versucht dabei die Erwartungen an die Schule und den Sportunterricht, sowie die damit verbundene Transfer-Hoffnungen darzustellen. Sportunterricht kann als einziges Schulfach die körperliche und motorische Entwicklung direkt beeinflussen und hat damit einen Alleinstellungsvorteil. Die empirische Leistungserfassung ist vom didaktischen Konzept abhängig. So kann die Leistung im Sportartenkonzept häufig durch motorische Tests, beim Doppelauftrag eher durch Befragungen gemessen werden. Die Frage, was der Schulsport dabei explizit kann, ist dennoch schwierig zu beantworten, da sich mit dem Wachstum automatisch die körperliche Leistungsfähigkeit verändert und der Schulsport eben nur einen Teil des Sporttreibens der Kinder ist. Die bessere Ausschöpfung des Leistungspotenzials der Schüler, sowie einen Abbau der variierenden Leistungsunterschiede allein durch Schulsport zu erreichen, scheint daher fraglich. Akteure wie Familie und Gleichaltrige haben hier gleichwertigen Einfluss. Sportunterricht kann tendenziell allgemeine Schlüsselqualifikationen fördern (im Sinne einer physical literacy) aber auch gleichzeitig Bewegungsbildung zur Qualifizierung für den außerschulischen Sport ermöglichen und wird damit dem Doppelauftrag gerecht. Die empirische Wirkungsforschung ist im Hinblick auf die fachübergreifende Sicht eher der falsche Untersuchungsweg. Verf. eröffnet jedoch abschließend die Variante, den Prozess der output-Entstehung eher vom Schüler aus zu betrachten und nicht vom Lehrer und die Effekte als Kompetenzen einer Handlungsfähigkeit des Schülers zu interpretieren. Daher ergibt sich längerfristig für die Empirie vielleicht die Chance mehrperspektivischen Unterricht orientiert an Kompetenzen zu untersuchen. Entsprechende Ansätze sind laut Verf. vorhanden. von Oltersdorff-Kalettka


Quelle: 

fiogf49gjkf0d
BISp Recherchesystem Sport: Ausgabe Literatur

Rezension: 07.09.2010

fiogf49gjkf0d
BISp Recherchesystem Sport: Ausgabe Literatur

Reihe: Forum Sportpädagogik

Eckart Balz (Hrsg.) - Sollen und Sein in der Sportpädagogik
Beziehungen zwischen Normativem und Empirischem
978-3-8322-8339-1

fiogf49gjkf0d
Beitrag: Beiträge einer Evaluationsforschung in der Sportpädagogik
Autorin: Bähr, Ingrid
Fundstelle:S. 141-154, Lit.

Wirkungsfeld der Sportpädagogik ist der Schulsport.... » mehr

Karl Friedrich Bohler, Anton Sterbling, Gerd Vonderach (Hrsg.)

Land-Berichte. Sozialwissenschaftliches Journal

Jahrgang XIII, Heft 1/2010

fiogf49gjkf0d
Sigrid Anna Friedreich und Achim Hahn: Erleben im Raum der Erlebnislandschaft
In diesem Aufsatz zeigen wir Möglichkeiten auf, „räumliche" Erlebnisse als Aufgabe einer empirisch-soziologischen Forschung zu untersuchen. Neben der begrifflichen Einordnung des Phänomens kommt es uns darauf an, den Ertrag des hermeneutischen Ansatzes am Beispiel einer „Erlebnislandschaft" aufzuzeigen. Zunächst wird der Weg bereitet, Erlebnisse und Stimmungen der beispielhermeneutischen Methodologie aufzuerlegen, in dem sowohl die Weltlichkeit als auch die Sprachlichkeit mentaler Phänomene behauptet wird. Anschließend soll anhand von Interviewmaterial das empirische Feld der Stimmungen und Gefühle im Raum eines Vergnügungsparks aufgezeigt werden.

Oskar Kölsch: Das Ise-Projekt. Sozialwissenschaftliche Aspekte bei der Umsetzung eines Naturschutzprojektes
Im Ise-Projekt wurden Methoden erprobt und entwickelt, die ökologischen Verhältnisse in einer Gewässerlandschaft durch Maßnahmen im Bereich der Land- und Wasserwirtschaft zu verbessern. Dabei spielten sozialwissenschaftliche Aspekte, wie die Verbesserung der Akzeptanz und das Beheben von Kommunikationsstörungen, eine zentrale Rolle. Zu Projektbeginn war das Verhältnis der Landwirte zu den Naturschützern von Misstrauen und Skepsis geprägt, und viele der geplanten Maßnahmen wurden von den Beteiligten abgelehnt. Durch Verständnis für die Belange der Landwirte, vertrauensbildende Maßnahmen und die Bildung von strategischen Allianzen konnten die bestehenden Probleme über wunden und die Naturschutzmaßnahmen erfolgreich umgesetzt werden.

Thomas van Elsen: „Soziale Landwirtschaft" - Perspektiven sozialer Arbeit auf land wirtschaftlichen Betrieben
„Soziale Landwirtschaft" umfasst landwirtschaftliche Betriebe und Gärtnereien, die Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen integrieren, Höfe, die eine Perspektive bieten für sozial benachteiligte Menschen, für straffällige oder lernbehinderte Jugendliche, Suchtkranke, Langzeitarbeitslose und aktive Senioren, Schul- und Kindergartenbauernhöfe und viele andere mehr. Vorsorge, Inklusion, Rehabilitation, Bildung und mehr Lebensqualität sind Aspekte Sozialer Landwirtschaft. Der Beitrag informiert über aktuelle Vernetzungsbemühungen in Europa und Deutschland und stellt exemplarisch die Arbeit mit Wohnungslosen auf zwei Sozialen Höfen vor.

Gerd Vonderach: Das Pendlerwesen im historischen Wandel. Empirische Impressionen zu einem bemerkenswerten Phänomen
Der Beitrag befasst sich mit den beträchtlichen Veränderungen des Pendlerwesens im historischen Wandel, was sowohl seine sozialstrukturelle Zusammensetzung als auch seine lebensweltliche Bedeutsamkeit angeht. Zu diesem Zweck werden Eindrücke aus ausgewählten empirischen Studien referiert. Seit den 1870er Jahren schuf die staatliche Eisenbahnpolitik in Deutschland die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für Arbeiterpendlerfahrten von dörflichen Bahnanschlüssen in die Industriestädte. Viele Pendler waren Arbeiterbauern bzw. Nebenerwerbslandwirte. Der Wandel der Erwerbsstruktur und des Verkehrswesens, des Lebensstandards und der Wohnmotivationen veränderten das Pendlerwesen bis zur Gegenwart. Pendler fahren überwiegend mit dem PKW statt mit der Bahn, die meisten Pendler sind heute Dienstleistungsangestellte, oft mit höheren Qualifikationen, und großenteils auf das Land gezogene Städter. Neben dem zur Alltagsnormalität gewordenen Berufs-, Ausbildungs- und außerberuflichen Pendlertum im regionalen Nahbereich ist auch das Fernpendlertum Bestandteil einer räumlich mobil gewordenen Lebensweise, die ihre Ursachen sowohl in den Arbeitsmarktverhältnissen als auch in den modernen Lebensformen hat.

Anton Sterbling: Partikularismus in Südosteuropa
Ausgehend von der Unterscheidung zwischen „Partikularismus" und „Universalismus" wird zunächst aufgezeigt, dass eine „universalistische Rechtsordnung" zwar ein zentrales Merkmal moderner Gesellschaften darstellt, dass aber auch in der Gegenwart, insbesondere außerhalb des abendländisch-westlichen Kulturkreises, verschiedene Spielarten des ethnischen, regionalen, landsmannschaftlichen oder religiösen Partikularismus dominant in Erscheinung treten. In einem zweiten Schritt soll dargelegt werden, dass die „partielle Modernisierung" in vielen Gesellschaften Südosteuropas, dass das komplizierte Spannungs- und Verschränkungsverhältnis traditionaler und moderner Strukturelemente und Verhaltensmuster, dass die Vorherrschaft eines neopatrimonialen Etatismus und Klientelismus in diesen Gesellschaften des „öffentlichen Misstrauens" in der weitreichenden sozialen Relevanz partikularistischer Wertvorstellungen und Handlungsorientierung eine wichtige Ursache erkennen lässt.

Quelle: soziologie heute, April 2010, Seite 43

Rezension: 15.04.2010

soziologie heute, April 2010, Seite 43

Reihe: Land-Berichte. Sozialwissenschaftliches Journal

Karl Friedrich Bohler, Anton Sterbling, Gerd Vonderach (Hrsg.) - Land-Berichte. Sozialwissenschaftliches Journal
Jahrgang XIII, Heft 1/2010
978-3-8322-8922-5

fiogf49gjkf0d
Sigrid Anna Friedreich und Achim Hahn: Erleben im Raum der Erlebnislandschaft
In diesem Aufsatz zeigen wir Möglichkeiten auf, „räumliche" Erlebnisse als Aufgabe einer empirisch-soziologischen Forschung... » mehr

Eckart Balz (Hrsg.)

Sollen und Sein in der Sportpädagogik

Beziehungen zwischen Normativem und Empirischem

fiogf49gjkf0d
Dieses Buch widmet sich Fragen jenseits des sportunterrichtlichen Alltags und will Brücken bauen zwischen Theorie und Praxis, zwischen Forschung und Lehre und eben auch zwischen Normativem und Empirischem. Die Beiträge zeigen etwas von dem, womit sich die Sportpädagogik beschäftigt, wie z.B. bei der empirischen Überprüfung von sportpädagogischen Normen (im Beitrag: „Zwischen Sportartenkompetenz und Doppelauftrag. Empirische Implikationen fachdidaktischer Konzepte") oder bei den unaufgeklärten Implikationen von sportpädagogischen Normen in empirischen Studien („Normativität und kasuistische Unterrichtsforschung") oder bei den Bezügen von sportpädagogischen Normen mit empirischen Forschungsstrategien („Lehrpläne Sport - Normatives vs. Empirisches").

Quelle: 

fiogf49gjkf0d
Sport & Spiel, 10. Jahrgang, Ausgabe 1/2010, S. 37

Rezension: 29.03.2010

fiogf49gjkf0d
Sport & Spiel, 10. Jahrgang, Ausgabe 1/2010, S. 37

Reihe: Forum Sportpädagogik

Eckart Balz (Hrsg.) - Sollen und Sein in der Sportpädagogik
Beziehungen zwischen Normativem und Empirischem
978-3-8322-8339-1

fiogf49gjkf0d
Dieses Buch widmet sich Fragen jenseits des sportunterrichtlichen Alltags und will Brücken bauen zwischen Theorie und Praxis, zwischen Forschung und Lehre und eben auch zwischen Normativem und Empirischem. Die Beiträge... » mehr

Eckart Balz (Hrsg.)

Sollen und Sein in der Sportpädagogik

Beziehungen zwischen Normativem und Empirischem

fiogf49gjkf0d
Die Schülerinnen und Schüler „sollen" ..., so fangen typische Zielformulierungen des (Sport-)Unterrichts an. Unterrichtliche Ergebnisse, also was Schülerinnen und Schüler am Ende „sind" oder „haben", schneller gelaufen, höher gesprungen, besser mit ihrem Partner kooperiert, ein spannungsreicheres Wagnis bewältigt, ... scheint im Kontext einer outputorientierten Steuerung im Bildungsbereich zunehmend von Interesse. Es geht darum, Rechenschaft abzulegen, die Frage nach der Legitimation steht im Raum. Eckart Balz hat in diesem Sammelband 18 Kolleginnen und Kollegen, mit Ausnahme der Pädagogin Charlotte Röhner, alle Sportpädagogen bzw. an für pädagogische Fragestellungen relevanten Themen arbeitende Sportwissenschaftler um eine Auseinandersetzung mit dem „Sollen und Sein in der Sportpädagogik" gebeten. In der Einleitung verdeutlicht Balz, dass keine idealistischen Ableitungen erfolgen sollen, naturalistische Fehlschlüsse zu unterlassen sind und verlangt - so deute ich sein Anliegen - „Butter bei die Fische"! Was will die Sportpädagogik und was vom Gewollten kann sie nachweisen? Mit Blick auf ihre jeweiligen Arbeitsschwerpunkte stellen sich die Autoren dieser Aufgabe in drei Abschnitten gegliedert. Sie zeigen erstens Wege „Vom Normativen zum Empirischen", spüren „Normatives im Empirischen" auf und stellen drittens „Normatives und Empirisches" heraus. Dabei beleuchtet die überwiegende Zahl der Autoren eigene empirische Projekte. Nils Neuber geht der Frage nach, wie Wirkungen normativer Leitideen des Schulsports empirisch überprüfbar sind und resümiert in einem Zwischenfazit, dass „die sportpädagogische Wirkungsforschung mit erheblichen Problemen zu kämpfen" (S. 13) hat. Über eine Ermittlung bisheriger Forschungsdesiderate kommt er zu der Forderung, dass es einer empirisch überprüfbaren Theorie der sportpädagogischen Intervention bedürfe, um signifikante Befunde schulsportlicher Wirkungsanalysen zu erzeugen. Er postuliert eine Forschungsstrategie kleiner Schritte, die ihren Ertrag aus der Kohärenz der Einzelbefunde speist. Dies wirkt sympathisch, da durchführbar, könnte aber dem derzeitigen mainstream des „Empirismus im Bildungsbereich" gegenüber ein Sonderweg sein. Zusammenfassend stellt Nils Neuber fest, dass es lohnenswerte Möglichkeiten zur empirischen Überprüfung normativer Leitideen im Schulsport gibt und fordert dazu auf, die Evaluation der Wirkungen des Schulsports systematischer als bisher zu verfolgen. Ebenfalls im ersten Abschnitt geht Andreas Hoffmann empirischen Desideraten einer normativen Fachdidaktik nach und Dietrich Kurz bearbeitet die empirischen Implikationen fachdidaktischer Konzepte bevor abschließend Andre Gogoll am Puls der Bildungsdiskussion die vorliegenden Kompetenzmodelle für das Schulfach Sport prüft. Er kommt insgesamt zu dem Fazit, dass die von den Kollegen Albrecht Hummel und Elk Franke vorgestellten Kompetenzmodelle für das Unterrichtsfach Sport (so noch) nicht tragfähig sind. Dies liege daran, dass die Besonderheit unseres Faches nicht auf die körperliche Bewegung zu reduzieren sei und deren Gehalt nicht auf den Modus ästhetisch-expressiver Weltbegegnung reduziert, sondern vielmehr die gesamten allgemeinbildenden Möglichkeiten des Faches aufgegriffen werden sollten. Daraus ergibt sich Andre Gogolls Forderung, im Zuschnitt deutlich selbstbewusster als bisher Kompetenzmodelle für das Schulfach Sport zu entwickeln. In den Beiträgen des zweiten Abschnitts wird der forschungsmethodologische Aspekt der Normativität des Empirischen deutlich. Auch wenn die Re-Analysen Detlef Kuhlmanns zur SPRINT-Studie und zur Schulsportstudie in Bayern für mich - wie er am Ende selber einräumt - einer mangelnden Dialektik unterliegen, da die verantwortlichen Forscherinnen und Forscher nicht Stellung beziehen können, stellen sie doch Wichtiges heraus: Der weitreichende Einfluss der Normativa auf die Forschungsmethodik darf nicht als implizit akzeptiert werden. Es gilt jeweilig explizit darzulegen, unter welchen Prämissen geforscht wird, um die ermittelten Ergebnisse diesbezüglich zu reflektieren. In die gleiche Richtung geht auch Mattias Schierz´ und Jörg Thieles Forderung am Ende ihres bisweilen voraussetzungsreich geschriebenen Beitrages. Die gewählten Beispiele empirischer Forschung - eine schulbegleitende Praxisforschung, zur Talentförderung und Studien zur „täglichen Sportstunde" -weisen bezüglich des Verhältnisses der Forscher zum Gegenstand deutliche Unterschiede auf. Ansätze der Praxisforschung - Ralf Lagings Beitrag in diesem Band weist mit dem Begriff der „Handlungsforschung" auf einen gleichen Forschungsansatz hin - sehen eine Einbindung der Akteure im Feld als (Co-)Forscher vor, das heißt, dass z. B. Lehrerinnen und Lehrer ihre eigene Arbeit erforschen. Eine „klassische" Strategie wurde dagegen in der Dortmunder Studie zur täglichen Sportstunde gewählt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beforschten die „tägliche Sportstunde" von außen. Bei aller Unterschiedlichkeit der Ansätze stellen Matthias Schierz und Jörg Thiele heraus, dass Erkenntnisse zur sportpädagogischen Wirklichkeit eine methodologische Frage der jeweiligen Operationalisierung und Indikatorenbildung hinsichtlich des Forschungsgegenstandes sind. Die Forschungsergebnisse werden dadurch determiniert, wie der Forschungsgegenstand für das Forschungsvorhaben handhabbar gemacht wird. Sie fordern dazu auf, dieses in Forschungsprojekten zu reflektieren und die normativen Voraussetzungen empirischer Forschung kritisch in den Blick zu nehmen. Tim Bindel stellt mit Blick auf seine Arbeiten zunächst im Kontrast zu den zuvor dargestellten normativen Implikationen empirischer Forschung in der Sportpädagogik heraus, dass bei ethnografischen Forschungen die normative Dimension zunächst keine Rolle spielt. Seiner Meinung nach weist auch der Sport „zahlreiche Dinge auf, die wir erst verstehen müssen, bevor wir normativ eingreifen" (S. 120). Aber auch Tim Bindel verdeutlicht mit einem eingängigen Beispiel, dass ethnografische Forschung so normfrei dann doch nicht ist. Dies wurde für ihn körperlich spürbar. Unbehagen überkam ihn im Rahmen einer Studie, in der das Verhältnis zwischen einer Lehrkraft und ihrer Schülergruppe dadurch gekennzeichnet war, dass die Schülerhandlungen im Zeichen von Angst vor einer Bestrafung durch die Lehrkraft geprägt waren. Seine Beobachtungen wurden aufgrund seiner Ablehnung dieses „Erziehungsstils" automatisch vor einer normativen Folie reflektiert. In der Darstellung bin ich zwischen den beiden Ebenen „Normatives im Empirischen" und „Normatives und Empirisches" gesprungen, die ich so trennscharf nicht erkannt habe. Dies tut aber m. E. dem Informationsgrad des Bandes keinen Abbruch. Nicht erwähnt habe ich Beiträge des zweiten und dritten Abschnittes zur Konstruktion des Kindes in der neuen Kindheitsforschung (Charlotte Röhner), den normativen Implikationen sportbezogener Jugendforschung (Ralf Sygusch, Hans-Peter Brandl-Bredenbeck und Ulrike Burrmann), zur kasuistischen Unterrichtsforschung (Petra Wolters), über Differenzstudien (Peter Neumann), zu Sportlehrplänen (Günther Stibbe) oder abschließend zum Thema „Koedukation" (Judith Frohn). Insgesamt erfüllt dieser Sammelband m.E. in besonderer Weise die Anforderungen für einen exponierten Platz im Regal. Die versammelten Beiträge bieten aufschlussreiche Einblicke in die Normen und das Empirische der Sportpädagogik. Für wissenschaftlich interessierte Sportpädagogen werden viele Beiträge eine Pflichtlektüre sein. Die umfangreichen methodologischen Ausführungen in den einzelnen Beiträgen mögen „Praktiker" zunächst als Enttäuschung wahrnehmen, wenn sie auf der Suche nach dem „Sein" sind. Die Wege zum „Sein" erweisen sich m. E. aber als wichtiger Ertrag dieses Bandes für die Arbeit der empirischen Sportpädagogik. Auch Sportlehrkräften, wenn sie sich mit Aufgaben der Schulsportentwicklung an ihrer Schule befassen, kann dieser Band als Wegweiser dienen. Insbesondere diese Zielgruppe wird der Buchpreis von € 44,80 allerdings abschrecken. Die download-Version von knapp €5,- erscheint da schon interessanter. Abschließend bleibt eine Frage: Motorische Zielvorstellungen und deren Erreichung habe ich vergeblich gesucht. Ich fühlte mich bei der Suche in guter Gesellschaft, da Dietrich Kurz in einer Fußnote bemerkt, dass für ihn interessanterweise „Ergebnisse motorischer Tests für die Diskussion vom Sollen und Sein nirgends in Betracht gezogen" werden. Warum aber sind motorische Leistungen von Schülerinnen und Schülern kein Thema für die empirisch arbeitenden Sportpädagogen?

Quelle: 

fiogf49gjkf0d
Michael Pfitzner, sportpädagogik 2/10, S. 62-63

Rezension: 29.03.2010

fiogf49gjkf0d
Michael Pfitzner, sportpädagogik 2/10, S. 62-63

Reihe: Forum Sportpädagogik

Eckart Balz (Hrsg.) - Sollen und Sein in der Sportpädagogik
Beziehungen zwischen Normativem und Empirischem
978-3-8322-8339-1

fiogf49gjkf0d
Die Schülerinnen und Schüler „sollen" ..., so fangen typische Zielformulierungen des (Sport-)Unterrichts an. Unterrichtliche Ergebnisse, also was Schülerinnen und Schüler am Ende „sind" oder „haben", schneller gelaufen,... » mehr

<<< <<  | 
1  | 
 |  ...