Am Institut für Strahlantriebe und Turboarbeitsmaschinen der RWTH Aachen wurde ein neuer zweistufiger Axialverdichter mit Vorleitrad und modernsten Konstruktionsmerkmalen aufgebaut. Das Auslegungskonzept des Verdichters stützt sich auf die laufenden Entwicklungsarbeiten an den hinteren Stufen eines modernen Triebwerk-Hochdruckverdichters. Die Realitätsnähe wird durch den Einsatz von Bürstendichtungen und integral gefrästen Laufrädern (Bliske) unterstrichen, die nicht nur aus aerodynamischer, sondern besonders aus strukturmechanischer Sicht von Interesse sind. Eine weitere Besonderheit ist der Einsatz einer Stator-Clockingbeschaufelung mit gleicher Schaufelzahl, bei der jedes Leitrad je nach Messaufgabe unabhängig voneinander umfangsverstellt werden kann.

Die drei übergeordneten Untersuchungsgegenstände dieser Arbeit sind die stationäre und instationäre Strömungs- sowie die Schaufelschwingungsanalyse. Um die komplexen Zusammenhänge besser verdeutlichen zu können, wird den Prüfstands-, Messtechnik- und Analysekapiteln ein eigenes Literaturkapitel vorgeschaltet, in dem anhand ausgewählter theoretischer Modelle die physikalischen Gesetzmäßigkeiten erklärt werden, die im Verlauf der Arbeit zu Analysezwecken herangezogen werden.

Die stationären Messungen werden an zwei Betriebspunkten (Wirkungsgradmaximum und angedrosselter Teillastpunkt) durchgeführt. Hierbei werden in allen Axialspalten pneumatische Fünflochsonden traversiert. Für unterschiedliche Betriebszustände werden von der Schluck- bis zur Pumpgrenze bei mehreren Linien konstanter Drehzahl stationäre Wand- und Stator-Profildruckdaten aufgezeichnet. Komplettiert wird die stationäre Messkampagne durch umfangreiche Wirkungsgraduntersuchungen zum Stator-Clocking.

Der Einsatz zeitlich hochauflösender Messtechniken wie Halbleiter-Druckaufnehmer in den Axialspalten und über den Rotoren sowie Halbleiter-Dehnungsmessstreifen auf den Lauf- und Leitschaufeln ermöglicht einen Einblick in die transienten Vorgänge der Rotor-Stator-Interaktionen. Im Rahmen von umfassenden Stator-Clocking-Variationen wird zudem ersichtlich, wie sich eine Manipulation der Relativpositionen der Statoren auf die Rotor-Stator-Interaktionen auswirkt. Erstmalig wird an diesem Verdichter das 3-Komponenten-Laser-Zwei-Fokus-Anemometer des Institutes für Antriebstechnik des DLR eingesetzt, um Aussagen über den dreidimensionalen Geschwindigkeitsvektor und die Turbulenzgradverteilung innerhalb des Rotors zu erlangen.

Auf Basis von Holographie- und Modalanalysen stehen im Vorfeld Campbell-Diagramme zur Verfügung, die durch die Schwingungsmessungen an dem zweistufigen Axialverdichter verifiziert werden. Der Einsatz sowohl von konventionellen Halbleiter-Dehnungsmessstreifen als auch des Berührungslosen Schaufelschwingungsmesssystems (BSSM) der MTU ermöglicht eine Korrelation der Schaufelschwingungsergebnisse. Von besonderem Interesse sind die BSSM-Messdaten für die Mistuning-Analyse der beiden integralen Laufräder. Umfangreiche Untersuchungen des Schwingungsverhaltens jenseits der Stabilitätsgrenze (Pumpen) werden an unterschiedlichen Drehzahllinien durchgeführt und mit Hilfe konventioneller Halbleiterdruck- und - Dehnungsmessstreifen sowie des BSSM-Systems dokumentiert.

Mit der vorliegenden umfangreichen Datenbasis insbesondere instationärer Messdaten wird ein Beitrag zu einem besseren Verständnis von Rotor-Stator-Interaktionen in mehrstufigen Axialverdichtern geleistet. Ferner bieten sich die Messdaten für die Validierung von stationären und instationären numerischen Strömungslösern an, um in Zukunft die Vorhersagegenauigkeit von Strömungsvorgängen in mehrstufigen Verdichtern weiter verbessern zu können.