Wortschatzförderung bel früh sukzessiv deutschlernenden Kindern - Eine modellgeleitete empirische Untersuchung
Stephanie Rupp
280 S .• 49.80 €. Düren: Shaker 2020
Bei sprachlicher Förderung und logopädischer Therapie mehrsprachiger Kinder ist die Evidenzlage unzureichend. Die Diplom-Logopädin Stephanie Rupp hat sich in ihrer Doktorarbeit, die von Prof. Dr. Rosemarie Tracy und Prof. Dr. Steffi Sachse betreut wurde, dieser Aufgabe gestellt und mit einer aufwändigen experimentellen Studie die Förderung des Wortschatzes von typisch entwickelten mehrsprachigen Kindern untersucht. Die Entwicklung wirksamer Sprachfördermaßnahmen ist erforderlich, um zu Bildungsgerechtigkeit bei mehrsprachigen Kindern beizutragen.
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem frühen sukzessiven Zweitspracherwerb vor dem Abschluss des vierten Lebensjahres. Die Autorin ist der Frage nachgegangen, wie diese Kinder Wörter in ihrer Zweitsprache "Deutsch" lernen. Spielt es eine Rolle, ob die Aufmerksamkeit auf die Wortform oder die Semantik gelegt wird und hat die Intensität einen Einfluss?
Im Theorieteil wird eine Verortung im gesamtgesellschaftlichen Kontext vorgenommen. Und es wird u.a. auf eine humanistische Grundhaltung und die Menschenrechtskonventionen eingegangen. Die Autorin erkennt das Potenzial der frühen Sprachförderung, da viele Kinder nicht-deutscher Erstsprache beim Schuleintritt gerade sprachliche Defizite u.a. im Wortschatz aufweisen, obwohl sie einen Kindergarten besucht haben. Um einer negativen Spirale vorzubeugen, sieht die Autorin Chancen in der frühen Sprachförderung als einer effektiven Präventionsmaßnahme.
Im zweiten Kapitel der Arbeit wird die Sprachentwicklung mit dem Fokus auf den Wortschatzerwerb beleuchtet. Das dritte Kapitel befasst sich mit dem Bereich der Wortschatzentwicklung mehrsprachiger Kinder und folgert, dass die Förderung der Wortschatzentwicklung sukzessiv mehrsprachiger Kinder sinnvoll erscheint. Die Autorin überträgt ein in der Sprachtherapie etabliertes Verfahren der modellorientierten Vorgehensweise auf die Sprachförderung, um eine modellorientierte Förderung zu konzipieren und die Fragestellungen zu beantworten.
Nach einem Kapitel zu lexikalischer Verarbeitung und Lexikonmodellen folgt der Empirie-Teil. Darin wird der Frage nachgegangen, ob sich semantisch orientierte von phonologisch orientierter Wortschatzförderung in der Effektivität unterscheidet. Dabei wurden, um u.a. soziale Parameter auszuschließen, keine Brennpunkt-Kindergärten ausgewählt. Es konnte gezeigt werden, dass beide Förder-Ansätze spezifisch wirksam sind. Die semantische und phonologische Förderung unterschieden sich dagegen nicht in ihrer Wirksamkeit. Es zeigten sich bei intensiv geförderten Kindern Transfereffekte. Folgestudien sind notwendig, da es sich um eine kleine Stichprobe handelte.
Eine umfangreiche Literaturliste zu Sprachförderung, Sprachentwicklung und Mehrsprachigkeit rundet die Arbeit ab. Diese ist nicht nur für Logopädlnnen von Bedeutung, sondern u.a. auch für pädagogisches
Personal, da die Betreuung die Sprachförderung mit einschließen sollte. Der Erkenntnisgewinn für die Logopädie liegt nahe, da physiologisches Lernverhalten zunächst bekannt sein muss, um schlussendlich auffälliges Sprachlernverhalten, wie es Kinder mit einer Sprachentwicklung zeigen, differenzieren zu können und in weiterer Folge Empfehlungen für die Therapie von Sprachentwicklungsstörungen von mehrsprachigen Kindern ableiten zu können.
Mit dieser Studie ist eine Grundlage für weitere Inventionsstudien mit Kindern dieser Zielgruppe gelegt worden, um ein hochaktuelles Thema weiter voranzubringen.
Angelika Rother. Freiburg (Schweiz)