Ausgangspunkt der Arbeit ist die Tatsache, dass sich im Betriebsalltag Eigenspannungen mit Lastspannungen überlagern und die Lebensdauer geschweißter Konstruktionen beeinflussen. Folglich ist die Kenntnis über den genauen Eigenspannungszustand bereits für die Auslegung von großem Interesse. Zerstörende Messverfahren der Eigenspannungsbestimmung sind insbesondere bei geringen Losgrößen nicht zielführend. Zerstörungsfreie Verfahren sind vorhanden und verbreitet, haben jedoch verfahrensspezifische Nachteile wie die begrenzte Auflösung. Eigenspannungs-gradienten in Blechdickenrichtung lassen sich damit nicht bestimmen.
Die Alternative: die Finite-Elemente-Methode (FEM)
Eine Alternative ist die Virtualisierung der Konstruktion unter Verwendung der Finite-Elemente-Methode (FEM). Die Anwendung der FEM ermöglicht prinzipielle Aussagen über Eigenspannungszustände an jeder Stelle des berechneten Modells, insbesondere an messtechnisch nicht zugänglichen Orten. Jedoch unterliegt die Eigenspannungsberechnung mit Hilfe der FEM gewissen Grenzen und Fehlerquellen, die der feinen Diskretisierung und der hochgradigen Nichtlinearität geschuldet sind. Bei der Berechnung von Mehrlagenschweißverbindungen steht man selbst bei hohen verfügbaren Rechenkapazitäten unabwendbar vor so hohen Rechenzeiten, dass ein praktischer Nutzen kaum noch erkennbar ist. Auf Anwenderseite wird diesem Problem oftmals mit radikalen Vereinfachungen der zu berechnenden Schweißaufgabe begegnet.
Ein Gewinn: Vereinfachungsansätze
Vereinfachungsansätze wie die Vermeidung hoher Diskretisierungsgrade, die Reduktion der Schweißlagen sowie semitransiente Berechnungen führen zwar zu handhabbaren Rechenzeiten, können aber auch zu Ergebnisungenauigkeiten führen. Deren Qualität muss alsdann hinterfragt werden. Im Fokus der Arbeit steht deshalb insbesondere die Frage, welche Vereinfachungsstategien bei der Schweißstruktursimulation anwendbar sind, wenn eine akzeptable Genauigkeit anwendungsnah erreicht werden soll. Hierzu wurden messtechnisch verifizierte Referenzmodelle erstellt. Anhand dieser Modelle wurden anschließend Ansätze steigenden Vereinfachungsgrades untersucht und deren Auswirkungen auf die Ergebnisqualität quantifiziert. Die numerisch untersuchten Vereinfachungen umfassen eine geometrische Skalierung der Ausgangsmodelle sowie die Anwendung aufgebrachter Temperaturzyklen und das Zusammenfassen einzelner Schweißraupen zu größeren Lagen.
Es konnte gezeigt werden, dass die häufig verwendeten Vereinfachungsansätze für die Berechnung von Eigenspannungen und Verzügen nur bedingt und teilweise gar nicht zulässig sind. Jedes Verfahren hat seine Grenzen und birgt Gefahren für den Anwender, wenn experimentell bestimmte Daten zur Validierung und Verifizierung nicht oder nur begrenzt zur Verfügung stehen. Das bedeutet, dass ein stark lokalisierter Abgleich von Experiment und Berechnung noch kein Beleg für die Richtigkeit der Rechenansätze sein muss, wenn auf eine verfeinerte experimentelle Bestimmung verzichtet wird.
Eine Zusammenstellung repräsentativer Eigenspannungsverteilungen
Einleitend zum Forschungsthema ist zu sagen, dass Eigenspannungen oftmals im Verdacht dazu stehen, einen Einfluss auf die Lebensdauer geschweißter und zyklisch sowie statisch beanspruchter Konstruktionen zu haben. Sie werden sowohl im Zusammenhang mit der Rissentstehung, als auch mit dem Risswachstum in Verbindung gebracht. Hierzu ist eine Vielzahl an Ergebnissen veröffentlicht, die den Einfluss der Eigenspannungen beispielsweise auf die Schwingfestigkeit untersuchten. Vereinfachend wird unterstellt, dass sich Eigenspannungen mit Lastspannungen im Betrieb überlagern und je nach Vorzeichen einen positiven oder negativen Effekt haben können. In jedem Fall ist die Kenntnis über den genauen Eigenspannungszustand bereits für die Auslegung von tragenden Schweißkonstruktionen von großem Interesse. Da dieser von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist, ist eine Aussage über Art und Größe der jeweils vorliegenden Eigenspannungsverteilungen nicht trivial. Eine Zusammenstellung repräsentativer Eigenspannungsverteilungen, basierend auf allen Eventualitäten, ist, wenn auch wünschenswert, diesen zum Beispiel in katalogisierter Form umzusetzen, aus den genannten Gründen nicht mach- und verfügbar.
Vorteil: FEM-Methode
Eine weitere Möglichkeit, mit der sich die vorliegende Arbeit auch zu Großteilen beschäftigt und auseinandersetzt, ist liegt in der Anwendung von numerischen Methoden. Die Chance besteht darin, die oben genannten Grenzen der Messtechnik zu überwinden. Beispielhaft hierfür steht die Finite-Elemente-Methode (FEM) zur Berechnung von Eigenspannungen. Die Anwendung der FEM ist in einigen Disziplinen bereits Stand der Technik und findet auch zur Berechnung der Auswirkungen des Schweißprozesses auf Eigenspannungen und Verzug verstärkt Eingang in die Praxis. Diese Lösungen sind heute nicht mehr nur im akademischen Umfeld zu finden.
Vor- und Nachteile
Stattdessen ermöglichen heute kommerziell verfügbare Softwarelösungen in Verbindung mit erschwinglicher Rechenleistung die Anwendung außerhalb des akademischen Umfelds. Der Vorteil der Anwendung der FEM-Methode liegt unter anderem darin, prinzipiell Aussagen über Eigenspannungszustände an jeder Stelle des berechneten Modells, insbesondere an messtechnisch nicht zugänglichen Orten, zu treffen. Folglich gehört die langwierige und kostenintensive Versuchsdurchführung dank eines Mindestmaßes an Aufwendungen in der virtuellen Umgebung der Vergangenheit an.
Wie bei allen Modellen und Methoden gibt es jedoch auch hier Nachteile. Bei dem Versuch der Berechnung von Mehrlagenschweißverbindungen steht man selbst bei hohen verfügbaren Rechenkapazitäten unabwendbar vor so hohen Rechenzeiten, dass ein praktischer Nutzen kaum noch erkennbar ist. Auf Anwenderseite ist die Antwort auf dieses Problem meist eine radikale Vereinfachung der zu berechnenden Schweißaufgabe. Ansätze wie die Vermeidung hoher Diskretisierungsgrade, die Reduktion der Schweißlagen sowie semitransiente Berechnungen führen zwar zu handhabbaren Rechenzeiten, liefern dann aber zwangsläufig Ergebnisgenauigkeiten, deren Qualität und folglich auch ihr Nutzen hinterfragt werden müssen. Gerade beim Schweißen von dickwandigen Bauteilen mit mehreren Lagen ändert sich die lokale Einspannsituation in Abhängigkeit der bereits eingebrachten Schweißraupen, was eine volltransiente Berechnung unabdingbar macht und folglich nicht auf anwendungsnahe Aufgaben anwendbar ist. Systematische Untersuchungen zu den häufigsten Vereinfachungsansätzen, die sich teilweise jedweder wissenschaftlichen Grundlage entziehen, sind, wenn sie denn durchgeführt wurden, nicht überliefert, sodass deren vermeintliche Ergebnistreue nicht quantifiziert ist. Einen Teil dieser Lücke soll die vorliegende Arbeit mit ihren darin enthaltenen Ergebnissen schließen. Im Fokus der Arbeit stehen insbesondere die Grenzen der Vereinfachungsansätze der Eigenspannungsberechnung in Mehrlagenschweißverbindungen.
Abgeleitete Fragestellung
Das Kernproblem der Schweißstruktursimulation besteht in der Beherrschbarkeit der Rechenmodelle unter Verzicht verfälschender Vereinfachungen. So sind wissenschaftlich befriedigende Übereinstimmungen zwischen Berechnungsergebnissen und Experimenten nur dann erzielbar, wenn man sich auf einfachste Stoßformen und einfachen Schweißnahtaufbau konzentriert.
Bei dünnwandigen, einlagig geschweißten Verbindungen im Automobilbau liegt der Fokus meist auf der Berechnung des Verzuges. Hier kann auch bei groben Vereinfachungen der Rechenmodelle eine Genauigkeit erzielt werden. Diese kann sodann praktischen Anforderungen genügen. Bei komplizierten, dickwandigen Schweißbauteilen sind oft grobe Vereinfachungen notwendig, weil die Berechnungsmodelle anderenfalls so einen Umfang erreichen, dass der zeitliche Aufwand akzeptable Grenzen weit übersteigt. Sollen beispielsweise zielwertoptimierende Variantenrechnungen durchgeführt werden, sind Rechenzeiten in Höhe mehrerer Wochen und Monate nicht zweckmäßig, da gerade bei Großstrukturen und folglich Einzelfertigungen die Gesamtstruktur nicht ökonomisch sinnvoll hergestellt und sukzessive optimiert werden kann und soll.
Zentrale Frage: "Welche Vereinfachungsstrategien sind bei der Schweißstruktursimulation anwendbar, wenn genau dann eine akzeptable Genauigkeit anwendungsnah erreicht werden soll?"
Reale Schweißverbindungen und dies sowohl bei Viellagenschweißungen in dicken Blechen, Konstruktionen mit vielen Schweißnähten sowie Handschweißungen in Zwangspositionen, können deshalb bislang nicht realitätsnah in Berechnungen abgebildet werden.
Die zentrale Frage der Arbeit lautet daher: "Welche Vereinfachungsstrategien sind bei der Schweißstruktursimulation anwendbar, wenn genau dann eine akzeptable Genauigkeit anwendungsnah erreicht werden soll?" Anwendungsnähe bedeutet hier, dass sich die Berechnungszeiten bestenfalls in der Zeitskala einiger Stunden oder Tage, statt in Wochen oder Monaten bewegen dürfen, ohne dabei auf Hochleistungscomputer oder Großrechner angewiesen zu sein.