Im März 2016 lud die Gesellschaft für Musikpädagogik zusammen mit dem Institut für europäische Ethnologie an der Universität Köln zu einem Kongress ein, der sich dem vielfältig verästelten Thema „Musikkulturen und Lebenswelt“ zuwandte. In den zwanzig Beiträgen, die der vorliegende Band vereinigt, kann man sich vergegenwärtigen, wie komplex die Thematik der Veranstaltung war, wie vielschichtig die übergeordneten Begriffe „Musikkultur“ und „Lebenswelt“ schon für sich selbst sind. Insofern wundert es kaum, dass sich die anschließenden Fragen etwa mit den Themenfeldern des „Eigenen im Fremden“ bzw. des „Fremden im Eigen“ befassten. Auf seine Weise knüpft Andreas Kloths Beitrag „Wiederentdeckung, Neuerfindung und Übernahme deutscher Kultur. Die Transformation russlanddeutscher Chöre auf der Krim“ an die Thematik des Kongresses an. Mit Feinfühligkeit für die kulturellen Hintergründe sowie für den lebensweltlichen Wandel vor Ort und die jeweilige politische Lage ergibt sich hier ein Gesamtbild, das drei Chöre im Schnittpunkt sich überlagernder Kulturen und individueller Erwartungen präsentiert. Einen besonders vielschichtigen Beitrag leistet Daniela Laufer, der es gelingt, die notwendige methodologische Besinnung auf ihr Thema mit dem Empfinden und Spürsinn einer gelernten Sonderpädgogin zu verbinden. In ihrem Beitrag „Aus eigener Perspektive – Zur musikalischen Lebenswelt von Menschen mit Behinderung“ gewährt sie Einblicke in die Biografie der namhaften Musiker Thomas Quasthoff, Felix Klieser und Rory Burnside. Quasthoff, so schildert die Autorin, gelingt es mit Hilfe seines unermüdlichen Elternhauses ein Leben zu führen, als gäbe es die eigene Körberbehinderung nicht. 1988 gewinnt der Bassbariton den ARD-Wettbewerb und nimmt anschließend eine bewunderte Sänger-Karriere auf. Klieser hat von Geburt keine Arme, kann sich aber dennoch auf dem Konzertpodium als Hornist durchsetzen; gepaart mit größter Musikalität und Energie ermöglichen ihm technische Umbauten seines Instruments die musikalische Laufbahn. Rory Burnside steht seit vielen Jahren als Gitarrist und Sänger der Band „Rudely Interrupted“ auf der Bühne und fasst die eigene Situation mit den Worten zusammen: „Wir musizieren menschlicher, weil wir keine voll funktionierenden menschlichen Maschinen sind.“ Womit er den vielschichtigen Themenkreis „Musikkulturen und [ganz persönliche] Lebenswelt“ treffend charakterisiert. Weitere Beiträge zum vorliegenden Band leisten Andrea Bießmann, Georg Brunner, Alexander Cvetko, Claudia Maria Cvetko, Marc Godau, Thomas Greuel, Christofer Jost, Oliver Kautny, Susanne Kittel, Jan-Peter Koch, Anselma Lanzendörfer, Klaus Näumann, Constanze Rora, Katharina Schilling-Sandvoß, Ralf-Olivier Schwarz, Christoph Stange, Marichen van der Westhuizen und Christina Zenk. Albrecht Goebel