Man wird in der jüngeren deutschen Geschichte nur wenige Persönlichkeiten finden, die sowohl als Verwaltungsgrößen wie auch als namhafte Politiker in Erscheinung getreten sind. Hermann Pünder, dessen Name eng mit Münster verbunden ist, gehört dazu. In seinem von dramatischen Ereignissen und Entscheidungen geprägten Leben spiegelt sich eine lange Karriere zwischen Aufbruch, Untergang und Neubeginn wider. Im Titel seiner 1968 erschienenen Memoiren „Von Preußen nach Europa“ hat er dies anschaulich dokumentiert. Der gebürtige Kölner des Jahrgangs 1888 wurde 1925 in die Reichskanzlei berufen und amtierte im Rang eines Staatssekretärs als deren Leiter von 1926 bis 1932. Er „überlebte“ die Kanzler Hans Luther, Wilhelm Marx und Hermann Müller. Mit dem Sturz Heinrich Brünings 1932 schied er selbst aus dem Amt. Pünder wurde allseits als kompetent und geschickt agierend beurteilt, was nicht zuletzt mit seiner Fähigkeit zusammenhing, Sachverhalte schnell und treffend in Wort und Schrift umzusetzen. Sein Arbeitspensum war enorm. Am Ende des „Dritten Reichs“ gehörte er dem Widerstand an und überlebte nur mit Mühe und Not, spielte aber nach 1945 sofort wieder eine tragende Rolle bei der Gründung der Bundesrepublik. Doch von der Zeit nach 1932 ist in dieser umfangreichen, auf akribischer Quellenarbeit beruhenden Biografie nicht die Rede. Es geht um Pünders bisher eher vernachlässigte Rolle an den Schaltstellen der Macht in der Weimarer Republik sowie um den Einfluss auf die Regierungsarbeit. Der Autor hat eine detailreiche, vielen Charakterzüge und Fähigkeiten Pünders erfassende Darstellung vorgelegt, eingebettet in die tragische Geschichte der ersten deutschen Demokratie. Politische und persönliche Einstellungen Pünders, vor allem seine auf Ausgleich und Mäßigung bedachte Haltung in einem schwierigen Umfeld, werden anschaulich dargelegt.