Diss. phil. Aachen; Begutachtung: R. Rotte, A. Heinen. – Matthieu Vincent Choblet präsentiert einen Querschnitt durch wesentliche Standpunkte der kritischen Internationalen Politischen Ökonomie zur globalen Finanzkrise und verbindet sie zu einer runden Kritik des etablierten Alltagsverständnisses von Wirtschaft und Finanzen. Er greift auf einen „interdisziplinären Ansatz“ (19) zurück, der sich im neogramscianischen Duktus in der Schnittmenge von Geschichts , Politik und Rechtswissenschaft sowie Ökonomie bewegt. Choblet unterscheidet in seiner ausführlichen Einführung über „grundlegende Paradigmen der IPÖ“ (39) drei hauptsächliche Kritikfelder: Die Krise entsteht demnach aus einem Zusammenspiel der „strukturellen Schwäche der öffentlichen Haushalte“, der „Konstruktionsfehler der Europäischen Währungsunion“ sowie der „Deregulierung der Finanzmärkte“ (88 ff.). Die Unterschiedlichkeit dieser „konkurrierenden Narrative“ (85) sei dabei gerade kein Widerspruch, vielmehr werde jeweils ein anderer Aspekt eines größeren Gesamtphänomens beleuchtet. Choblet weist den „politisch gewollten“ (113) Zusammenhang dieser Aspekte nach und zeigt, inwiefern „Darstellungen von einer Finanzialisierung und damit verbundenen Prozessen als einem natürlichen, also unaufhaltsamen, Werdegang […] grob irreführend [sind]“ (138). Der Ansatz kommt weitgehend ohne Argumentationsmuster einer marxistisch inspirierten Ökonomie aus.
Konsequenterweise vermeidet er Themen der gesellschaftlichen Totalität und Klassenstruktur und stößt hier auch auf bestimmte konstitutive Grenzen: So wird plausibel die „prinzipiell widersprüchliche Mischung aus einem angekündigten ‚Rückzug des Staates‘ einerseits und großzügigen staatlichen Investitionen andererseits“ (106) herausgearbeitet, allerdings finden sich kaum Bemühungen, diesen Widerspruch in eine höhere Einheit, etwa in einer generellen Bewegung der Staatsform oder in einer Stadientheorie des Kapitalismus, aufzuheben. Die Anklage gegen den „historischen Block“, der „politische und ökonomische Eliten, ebenso wie breite Bevölkerungsschichten [vereint]“ (138), bleibt dadurch relativ kraftlos: Solange die breiten Schichten positiv eingebunden bleiben, lässt sich in diesem Rahmen kein zwingender Grund formulieren, warum und wie diese Einheit aufgebrochen werden sollte. Choblet sieht zwar für eine langfristige Lösung die Notwendigkeit, „hegemoniale Denkstrukturen zu durchbrechen“ (326), jedoch entzieht sich sein Ansatz einem Verständnis dafür, warum es dem Kapitalismus ganz offenbar gerade darum gehen muss, langfristige Lösungen aus Prinzip zu vermeiden.