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Rezensionen

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978-3-8322-9562-2
Simon Burger
Verantwortung und Verantwortlichkeit für die Umsetzung supranationalen Rechts im Bundesstaat
Die horizontale und vertikale Zuordnung der Umsetzungspflichten einschließlich der Haftung
Rechtswissenschaft
Rezension
DVBL, Heft 04/2012, Seite 227, 18.02.2012

Die in Köln entstandene Dissertation behandelt ein für den Bundesstaat dauerhaft relevantes Thema, nämlich die Frage nach der Verantwortung bzw. Verantwortlichkeit bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts. Im ersten Abschnitt erörtert Verf. die mitgliedstaatlichen Umsetzungspflichten und Haftungsrisiken gegenüber der Gemeinschaft erörtert. Normativer Ausgangspunkt sind die Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 Abs. 1, Art. 228 Abs. 1 EGV i.V.m. Art. 10 EGV. Die mitgliedstaatlichen Umsetzungspflichten werden anhand der Rechtsquellenschichten strukturiert. Im zweiten Abschnitt behandelt er die Defizite bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts und konstatiert ein erhebliches Umsetzungsdefizit, das weniger in der normativen Kontrolle als in der verwaltungsmäßigen Umsetzung – teils auch wegen des föderalen Staatsaufbaus – liegt. Im dritten Abschnitt werden das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226, 227 EGV, die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung sowie mittelbar haftungsrelevante Instrumente dargestellt. Die beiden letzten Abschnitte befassen sich als Kern der Untersuchung mit der horizontalen wie vertikalen Zuordnung der Umsetzungspflichten. Verf. erörtert bei der horizontalen Verantwortlichkeit vor allem die judikativen Umsetzungspflichten, die nicht durch die richterliche Unabhängigkeit, den Gewaltenteilungsgrundsatz oder die Rechtssicherheit eingeschränkt würden; Verstöße der Judikative sind nach der Judikatur dem betroffenen Mitgliedstaat zuzurechnen. Verf. wendet sich auch der Frage nach den legislativen Umsetzungspflichten bei Verstößen durch die Rechtsanwendung der Administrative bzw. der Judikative zu, die durch die EuGH-Rechtsprechung zur Richtlinienumsetzung und Verwaltungspraxis weitgehend geklärt erscheint. Im Bereich der legislativen Korrektur gemeinschaftswidriger nationaler Rechtsprechung folgt Verf. der Auffassung, dass die nationale Umsetzungsnorm das Niveau der Konkretisierung der jeweils umzusetzenden Vorschrift erreichen müsse (S. 254). Im letzten Abschnitt erörtert Verf. die vertikale Zuordnung der Umsetzungsverantwortung. Maßstabsnormen sind insoweit Art. 23 Abs. 1 Satz 1, Art 104a Abs. 6 GG. Eine Zentralisierung von Umsetzungskompetenzen in der föderalen Ordnung hält Verf. weder aus gemeinschaftsrechtlichen noch verfassungsrechtlichen Gründen für geboten. Die vertikale Zuordnung wird sodann am Beispiel des Vertragsverletzungsverfahrens illustriert. Die Diskrepanz zwischen der innerstaatlichen Umsetzungsverantwortung und der Haftung für Umsetzungsdefizite im Außenverhältnis ist die Grundlage für den innerstaatlichen Lastenausgleich der Haftung nach Art. 104a Abs. 6 GG. Verf. will dem Bund entgegen verbreiteter Ansicht auch dann einen Regressanspruch einräumen, wenn kein Ausführungsgesetz ergeht. Unklarheiten bei legislativen Umsetzungskompetenzen orientieren sich an den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen, wobei die Länder die grundsätzliche Umsetzungsverantwortung bei konkurrierender Gesetzgebung tragen. Schließlich werden noch die Sanktionen aufgrund des Defizitverfahrens nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 EGV erörtert und die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung im Blick auf die kumulative Haftung der verschiedenen föderalen Ebenen näher beleuchtet. Dies führt zu einem Haftungsausgleich im föderalen Innenverhältnis. Die nach Art. 109 Abs. 5 GG schematisierte Haftungsaufteilung zwischen den Ländern zur Wahrung des Stabilitätspaktes könne wegen des fehlenden Gleichklangs zwischen Umsetzungspflicht und Haftung die europäischen Stabilitätsvorgaben nicht wirksam sichern (S. 337).
Die Dissertation stellt einen guten Überblick über die Verantwortungs- und Haftungsproblematik bei der Umsetzung des europäischen Gemeinschaftsrechtes dar und zeigt insbesondere im Bereich der horizontalen und der vertikalen Umsetzungsverantwortung bedenkenswerte Anstöße zur weiteren Diskussion. Wünschenswert wäre, den enormen Fußnotenapparat (2 038 Fußnoten) besser auf die einzelnen Abschnitte aufzuteilen.
Prof. em. Dr. Albrecht Weber, Universität Osnabrück

978-3-8322-9562-2
Simon Burger
Verantwortung und Verantwortlichkeit für die Umsetzung supranationalen Rechts im Bundesstaat
Die horizontale und vertikale Zuordnung der Umsetzungspflichten einschließlich der Haftung
Rechtswissenschaft
Rezension
Zeitschrift: KommJur 8/2011, Seite 319, 15.09.2011

Die supranationale Gesetzgebung der EU entfaltet insoweit unmittelbare Auswirkungen auf die binnenstaatliche Rechtsetzung und -anwendung als die Träger der horizontal und vertikal geteilten Staatsgewalten die höherrangigen Vorgaben des EU-Rechts effektiv umsetzen müssen. Aufgrund dieser supranationalen Durchdringung der nationalen Staatsorganisation verteilt sich die Umsetzungsverantwortung innerstaatlich auf die jeweils zuständigen, auch kommunalen Organe. Im Falle von Verstößen gegen Umsetzungspflichten sieht die Unionsrechtsordnung Sanktionen vor, die sich jedoch zunächst gegen die Bundesrepublik als außenverantwortlichen Mitgliedstaat richten. Die Effektivität der verschiedenen Sanktionen hängt somit maßgeblich davon ab, ob sie auf innerstaatlicher Ebene die jeweils verantwortlichen Hoheitsträger treffen. Inwieweit dieser Gleichklang zwischen Umsetzungsverantwortung und -Verantwortlichkeit geboten ist und inwieweit er sich de lege lata, de facto und de lege ferenda herstellen lässt, sind die Leitfragen der vorliegenden Arbeit.
Zu Beginn der Untersuchung werden die supranational vorgegebenen Pflichten in quantitativer und qualitativer Hinsicht systematisiert und zugleich strukturelle, der Unionsebene zuzuordnende Umsetzungshindernisse identifiziert. Im Hinblick auf das Umsetzungsdefizit erfolgt eine nach Verstößen gegen formelle und materielle Umsetzungspflichten bei der Rechtsetzung sowie Anwendungsdefiziten differenzierte Bestandsaufnahme inklusive Ursachenanalyse. Es folgt eine Gesamtdarstellung der unionsrechtlichen Sanktionsinstrumente einschließlich Bewertung anhand des Kriteriums des mitgliedstaatlichen Haftungsrisikos. Zu Beginn des Hauptteils der Untersuchung werden zunächst die jeweiligen Umsetzungsprogramme der horizontal geteilten Staatsgewalten abgegrenzt und die Reichweite der Sanktionsinstrumente der EU bei entsprechenden Defiziten aufgezeigt. Diskussionsschwerpunkte bilden hier die Kompetenzen der Judikative und der Administrative zur Nichtanwendung gemeinschaftsrechtswidriger Normen sowie die Zulässigkeit von Beiträgen der Administrative und der Judikative zur normativen Umsetzung. Im Hinblick auf die föderale Zuordnung der Umsetzungspflichten werden die einschlägigen nationalrechtlichen Kompetenznormen ermittelt und umsetzungsspezifisch ausgelegt. Am Beispiel des Vertragsverletzungsverfahrens wird anschließend die Außenhaftung des Bundes gegenüber der EU sowie der Regress gegenüber den Ländern erörtert. Die Untersuchung mündet in eine paradigmatische Systematisierung der innerstaatlichen Haftungszuordnung, die abschließend auf die Sanktionsmechanismen des Defizitverfahrens und der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung übertragen wird.
Mit dem vorliegenden Buch veröffentlicht Simon Burger, Referatsleiter beim Deutschen Städte- und Gemeindebund, seine von Prof. Wolfram Höfling, Institut für Staatsrecht der Universität zu Köln, betreute Dissertation. Die an der Schnittstelle zwischen Europa- und nationalem Staatsorganisationsrecht angesiedelte Arbeit richtet sich nicht gezielt an die kommunale Leserschaft, ist aber gleichwohl gerade für diese von besonderer Bedeutung, denn die Kommunen nehmen eine Schlüsselposition für die flächendeckende Umsetzung des Unionsrechts ein. So wird ausdrücklich das europäische Vergaberecht als Beispiel für die administrative Umsetzungsverantwortung der Städte und Gemeinden angeführt und anhand der Dienstleistungsrichtlinie belegt, dass die Kommunen auch normativen Umsetzungspflichten unterliegen. Zudem wird dargelegt, dass auch fiskalische Tätigkeiten und privatwirtschaftliche Organisationsformen wie insbesondere Kommunalunternehmen nicht von staatengerichteten unionsrechtlichen Pflichten ausgenommen sind (S. 200 ff.). Dementsprechend wird nicht nur im Hinblick auf die Bundesländer, sondern auch auf die Kommunen die unmittelbare Verbindlichkeit des Unionsrechts (S. 175 ff.), insbesondere des einen Verstoß feststellenden Ersturteils des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren (S. 274 f.), nicht jedoch des Sanktionen verhängenden Zweiturteils (S. 275 ff.), nachgewiesen. Im Zusammenhang mit der föderalen Zuordnung der Haftung für Umsetzungsdefizite werden die Kommunen zwar der Ebene der Länder zugeordnet, die somit allein gegenüber dem außenverantwortlichen Bund regresspflichtig sein können. Es wird allerdings auf die maßgeblich anhand des jeweiligen Landes(verfassungs)rechts zu beurteilende Möglichkeit der Länder eingegangen, ihrerseits die ggf. verantwortlichen kommunalen Gebietskörperschafen in Haftung zu nehmen (S. 310 ff.). Dass auch die eingehende Untersuchung, gegen welchen Hoheitsträger sich bei kumulativen Verstößen der Staatshaftungsanspruch des Bürgers richtet (S. 326 ff.), für die kommunale Praxis von Bedeutung ist, belegt das aktuelle EuGH-Urteil in der Rechtssache Fuß - AZ C-429/09. Die Arbeit, die die maßgeblichen Änderungen durch die Föderalismusreformen 2006 und 2009 sowie den Reformvertrag von Lissabon berücksichtigt und diskutiert, zeichnet sich aus durch eine umfassende, dogmatisch fundierte und an praktischen staatspolitischen Bedürfnissen orientierte Zuordnung innerstaatlicher Umsetzungspflichten und Haftungsbeziehungen. Die klar strukturierte Darstellung besticht durch zahlreiche Anwendungsbeispiele, die nicht nur die staatspraktische Bedeutung der Untersuchung belegen, sondern auch der Verständlichkeit und dem Unterhaltungswert zuträglich sind.
Uwe Zimmermann
Schriftleitung Kommunaljurist

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