Die in Köln entstandene Dissertation behandelt ein für den Bundesstaat dauerhaft relevantes Thema, nämlich die Frage nach der Verantwortung bzw. Verantwortlichkeit bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts. Im ersten Abschnitt erörtert Verf. die mitgliedstaatlichen Umsetzungspflichten und Haftungsrisiken gegenüber der Gemeinschaft erörtert. Normativer Ausgangspunkt sind die Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 Abs. 1, Art. 228 Abs. 1 EGV i.V.m. Art. 10 EGV. Die mitgliedstaatlichen Umsetzungspflichten werden anhand der Rechtsquellenschichten strukturiert. Im zweiten Abschnitt behandelt er die Defizite bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts und konstatiert ein erhebliches Umsetzungsdefizit, das weniger in der normativen Kontrolle als in der verwaltungsmäßigen Umsetzung – teils auch wegen des föderalen Staatsaufbaus – liegt. Im dritten Abschnitt werden das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226, 227 EGV, die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung sowie mittelbar haftungsrelevante Instrumente dargestellt. Die beiden letzten Abschnitte befassen sich als Kern der Untersuchung mit der horizontalen wie vertikalen Zuordnung der Umsetzungspflichten. Verf. erörtert bei der horizontalen Verantwortlichkeit vor allem die judikativen Umsetzungspflichten, die nicht durch die richterliche Unabhängigkeit, den Gewaltenteilungsgrundsatz oder die Rechtssicherheit eingeschränkt würden; Verstöße der Judikative sind nach der Judikatur dem betroffenen Mitgliedstaat zuzurechnen. Verf. wendet sich auch der Frage nach den legislativen Umsetzungspflichten bei Verstößen durch die Rechtsanwendung der Administrative bzw. der Judikative zu, die durch die EuGH-Rechtsprechung zur Richtlinienumsetzung und Verwaltungspraxis weitgehend geklärt erscheint. Im Bereich der legislativen Korrektur gemeinschaftswidriger nationaler Rechtsprechung folgt Verf. der Auffassung, dass die nationale Umsetzungsnorm das Niveau der Konkretisierung der jeweils umzusetzenden Vorschrift erreichen müsse (S. 254). Im letzten Abschnitt erörtert Verf. die vertikale Zuordnung der Umsetzungsverantwortung. Maßstabsnormen sind insoweit Art. 23 Abs. 1 Satz 1, Art 104a Abs. 6 GG. Eine Zentralisierung von Umsetzungskompetenzen in der föderalen Ordnung hält Verf. weder aus gemeinschaftsrechtlichen noch verfassungsrechtlichen Gründen für geboten. Die vertikale Zuordnung wird sodann am Beispiel des Vertragsverletzungsverfahrens illustriert. Die Diskrepanz zwischen der innerstaatlichen Umsetzungsverantwortung und der Haftung für Umsetzungsdefizite im Außenverhältnis ist die Grundlage für den innerstaatlichen Lastenausgleich der Haftung nach Art. 104a Abs. 6 GG. Verf. will dem Bund entgegen verbreiteter Ansicht auch dann einen Regressanspruch einräumen, wenn kein Ausführungsgesetz ergeht. Unklarheiten bei legislativen Umsetzungskompetenzen orientieren sich an den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen, wobei die Länder die grundsätzliche Umsetzungsverantwortung bei konkurrierender Gesetzgebung tragen. Schließlich werden noch die Sanktionen aufgrund des Defizitverfahrens nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 EGV erörtert und die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung im Blick auf die kumulative Haftung der verschiedenen föderalen Ebenen näher beleuchtet. Dies führt zu einem Haftungsausgleich im föderalen Innenverhältnis. Die nach Art. 109 Abs. 5 GG schematisierte Haftungsaufteilung zwischen den Ländern zur Wahrung des Stabilitätspaktes könne wegen des fehlenden Gleichklangs zwischen Umsetzungspflicht und Haftung die europäischen Stabilitätsvorgaben nicht wirksam sichern (S. 337).
Die Dissertation stellt einen guten Überblick über die Verantwortungs- und Haftungsproblematik bei der Umsetzung des europäischen Gemeinschaftsrechtes dar und zeigt insbesondere im Bereich der horizontalen und der vertikalen Umsetzungsverantwortung bedenkenswerte Anstöße zur weiteren Diskussion. Wünschenswert wäre, den enormen Fußnotenapparat (2 038 Fußnoten) besser auf die einzelnen Abschnitte aufzuteilen.
Prof. em. Dr. Albrecht Weber, Universität Osnabrück