»Turbotölpel«, »begabt zu etwas wie ein Schwein zum Stabhochsprung«, »Und was sagen Sie als Unbeteiligter zum Thema Intelligenz?« - es gibt viele Redewendungen über die Dummheit. Dagmar Schmauks von der Arbeitsstelle für Semiotik der Technischen Uni Berlin hat sie gesammelt. »Gerade die Beschreibungen von Dummheit erlauben einen Blick auf die Vorstellungen, die wir uns von unserem Gehirn und seiner Tätigkeit machen«, sagt sie. »Heute wissen wir, daß das Denken sich im Kopf abspielt. Daraus resultieren Beschreibungen schlauer Leute als »kluge Köpfe« oder Menschen mit »Köpfchen«. Andererseits ist ein dummer Mensch »auf den Kopf gefallen«. Die Sprachforscherin hat einander ergänzende Beschreibungsmodelle ermittelt. Im einfachsten Fall wird angenommen, das Gehirn würde fehlen (»Hohlkopf«), sei zu klein (»Gehirn einer Laus«) oder zu weich (»Matschkopf«). Beschädigt wird es durch Hitze (»hirnverbrannte Idee«), Tiere (»eine Meise haben«) oder äußere Gewalt (»einen Hau haben«). Gedächtnismodelle vergleichen es mit einem Behälter (»Sprung in der Schüssel«) und das Lernen mit der Nahrungsaufnahme (»Magersucht im Hirn«) oder dem Entstehen einer Spur (»Vom Winde verweht!«). Faßt man das Verstehen als Sehen auf, so Schmauks, läßt sich Dummheit als schwache Lichtquelle (»kein heller Kopf«), Sichthindernis (»Scheuklappen tragen«) oder Sehfehler erklären (»Tunnelblick«). Komplexere Modelle verstehen Dummheit als ungeschicktes Handeln (»Kaffeewasser anbrennen lassen«, »Seerosen gießen«, »eine Gehirn-OP mit der Spitzhacke ausführen«). Weitere Wendungen verdanken sich der Tatsache, daß das Denken in der Zeit abläuft und damit der Fortbewegung ähnelt (»sprunghaftes Denken«, »ohne Kompaß unterwegs«, »Verstehenshür-den«). Außerdem dringen Dumme nicht weit genug in die Tiefe vor (»Dünnbrettbohrer«) oder haben keine Bodenhaftung (»auf der Seife stehen«). Gern wird das Denken mit dem Benutzen technischer Geräte verglichen. Dumme haben »eine Schraube locker« oder »laufen neben der Spur«. Wendungen wie »geistige Stromsparlampe« oder »Besorg dir doch mal ein Upgrade für dein Hirn« belegen, daß neue Techniken zügig in der Metaphorik Einzug halten.
Geistige Stromsparlampe und Magersucht im Hirn - Wie wir mit Dummheit sprachlich umgehen
Jemandem Dummheit nachzusagen ist der beliebteste Vorwurf überhaupt. Die Umgangssprache enthält nicht nur viele Schimpfwörter von Affe bis Zimtziege, sondern kennzeichnet Dummheit besonders gern durch metaphorische Redewendungen. Wie gehen wir mit Dummheit sprachlich um, und wie funktionieren die Dummheitsmetaphern? Prof. Schmauks erklärt Ihnen nicht nur, wie Sie Ihren sprachlichen IQ-Wert zur Dummheit steigern können, sondern wird auch Ihre sprachlichen Kapazitäten zur Dummheitskennzeichnung erheblich und vergnüglich erweitern.
Upgrade fürs Gehirn
Aus dem „Volltrottel" wird der „Maximaldepp": Redewendungen sind ein Spiegel ihrer Zeit
Wer wollte nicht schon einmal Berge versetzen, jemandem aufs Dach steigen oder ihm den Kopf waschen? „Redensarten sind eine wahre Fundgrube von Sitten und Gebräuchen“, sagt die polnische Linguistin Barbara Komenda-Earle. „Sie erlauben uns einen Blick auf alte Traditionen, Medizin und Aberglauben und sind damit ein Spiegel der Zeiten.“ Die Dozentin am Germanistischen Institut der Universität Stettin hat jetzt mit einem Alexander-von-Humboldt-Stipendium an der Arbeitsstelle für Semiotik der TU Berlin die kulturhistorischen Hintergründe bildhafter deutscher Redensarten erforscht und ein Ordnungsprinzip für diese sogenannten Phraseologien entworfen. Dabei untersucht die Wissenschaftlerin auch, wie kulturelle und geschichtliche Ereignisse sie im Lauf der Jahrhunderte verändert haben.
„Sich Asche aufs Haupt streuen“ oder „jemandem die Leviten lesen“ entspirngt mittelalterlich-kirchlichen Traditionen, während „seinen Friedrich-Wilhelm daruntersetzen“ eher politisch-historische wurzeln hat. „Viele dieser Redensarten sind ähnlich auch in anderen Sprechen wie dem Polnischen oder Englischen vorhanden.“, erklärt Komenda-Earle. „Manchmal handelt es sich um Entlehnungen. Daran sind auch Wanderungs- oder Handelsbewegungen bestimmter Volksgruppen nachzuvollziehen. Andererseits kann sich ein Phrasem in mehreren Sprachen unabhängig von einander herausgebildet haben.“
In der Arbeitsstelle für Semiotik der TU Berlin findet die Wissenschaftlerin Sammlungen aus dem umfangreichsten Archiv für Semiotik in Deutschland. Dabei entdeckte sie auch Hinweise darauf, dass sich bestimmte Bilder in mehreren Sprachen nachweisen lassen, was oftmals ein wichtiger beleg dafür ist, dass es bestimmte Zustände und Gebräuche wirklich gegeben hat: Der Ausdruck „jemanden die Daumenschrauben anlegen“, der auf mittelalterliche Rechtgebräuche hinweist, findet sich zum Beispiel auch im englischen („to putt he screws on somebody“) oder im Französischen(„serrer les pouces à quelqu’un“) und im Polnischen („wziac kogos w kluby“).
Die Bilder wechseln mitunter von Sprache zu Sprache: Der Deutsche und der Pole lachen sich ins Fäustchen, der Engländer in den Ärmel und der Franzose in den Bart oder in den Umhang. Deutsche spannen einander auf die Folter, Engländer hängen einander an den Metzgerhaken. Der Deutsche drückt die Daumen, der Engländer hält die Finger gekreuzt.
Welche Verflechtungen zwischen Redewendungen du unserer Art zu denken bestehen, beschäftigt auch die Sprachforscherin und TU-Professorin Dagmar Schmauks. Sie sammelt unter anderem Redensarten über die Dummheit. „Die Beschreibung von Dummheit zeigt, wie wir uns das Gehirn und seine Tätigkeit vorstellen“, sagt sie. „Das Denken spielt sich im Kopf ab. Das wissen wir heute. Schlaue Leute werden also oft als ‚kluger Kopf’ oder als Mensch mit ‚Köpfchen’ beschrieben. Ein dummer Mensch dagegen ist ‚auf den Kopf gefallen’“, erklärt sie.
In ihrem soeben erschienenen Buch „Denkdiäten, Flachflieger und geistige Stromsparlampen. Die kognitive Struktur von Redewendungen zur Dummheit“ hat sie zusammengetragen, welche kognitiven Modelle vom Vorgang des Denkens sich in Redewendungen wieder finden. Bei einem „Hohlkopf“ nimmt man beispielsweise an, das Gehirn fehle, beim „Hirnverbrannten“ ist es durch Hitze beschädigt.
Wie sich die Sprache immerzu wandelt, zeigen auch Wendungen wie „geistige Stromsparlampfe“ oder „Besorg dir doch mal ein Upgrade für dein Hirn“. Hier hat die neue Technik zügig in die Metaphorik Einzug gehalten. Am 13. Dezember erklärt Schmaucks in der Urania die Wandlung von „Volltrottel“ zum „Megablödmann“.
Patricia Pätzhold
Dummheit wird auf fantasievolle Art mit vielerlei kaputten Dingen und anderen Defekten gleichgesetzt. Jeder ärgert sich täglich über kleine und große, harmlose und verhängnisvolle Dummheiten. Jemandem Dummheit nachzusagen ist der beliebteste Vorwurf überhaupt. Benutzt werden kreative Substantive wie „Turbotölpel", komplexe Redewendungen wie „begabt zu etwas wie ein Schwein zum Stabhochsprung" oder dreiste Sprüche wie „Und was sagen Sie als Unbeteiligter zum Thema Intelligenz?" Prof. Dr. Dagmar Schmauks von der Arbeitsstelle für Semiotik der TU Berlin hat solche Wendungen gesammelt. In Ihrem neuen Buch legt sie ausführlich ihre Analysen dar, die zeigen, welche kognitiven Modelle des Denkens den Redewendungen zugrunde liegen. Sie hat dabei viele Modelle ausführlich beleuchtet und stieß schließlich auch auf ein besonders interessantes Ergebnis: Gerade die Redewendungen zur „Dummheit" belegen überzeugend die Existenz von „Intelligenz". pp