Nicht nur kritisiert Albrecht in seinen inzwischen zeitgeschichtlichen Texten den selektiven Umgang der “Narzisse” (Alphons Silbermann) und langjährigen Leiterin des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) mit ihrer Vergangenheit unter dem Nationalsozialismus. Er arbeitet auch heraus, dass Elisabeth Noelle-Neumanns´ unter dem Begriff der "Schweigespirale" bekannt gewordene Theorie und Praxis der Politikberatung auf einem als deformiert zu bezeichnenden Menschenbild aufruht. Die Schweigespirale Tatsächliche Minderheitenmeinungen werden in der medialen Präsentation als Mehrheitsmeinungen dargestellt und vermögen auf diesem Wege ursprüngliche Anhänger der (schweigenden) Mehrheitsmeinung dazu zu bringen, etwa bei Wahlen gegen ihre eigene Überzeugung zu votieren. Noelle-Neumann machte derartige Beobachtungen bei den Bundestagswahlkämpfen 1972 und 1976 und übertrug den gruppen- und gemeinschaftssoziologischen Gemeinplatz, dass soziale Akteure dahin tendieren, sich der (vermeinten) Mehrheitsmeinung anzuschließen, lediglich auf ihr Arbeitsfeld (die Demoskopie). Der Schritt von der Theorie zur Praxis der Politikberatung ist dann auch kein großer. Je offensiver die gewünschte “Mehrheitsmeinung” propagiert wird, desto größer wird die Angst vor sozialer Isolation und die Chance, die Mehrheit eben zu einer schweigenden zu machen. Die Union hatte sich dies zu Eigen gemacht und sich für die Etablierung des Privatfernsehens eingesetzt, weil die öffentlich-rechtlichen Sender als tendenziell der Sozialdemokratie zugetan galten. Presse- und Medienbetrieb zur Erzeugung der gewünschten Meinung. Demoskopie als positivistisches Instrument der Ermittlung der so erzeugten gemeinten Meinung lässt als bloßes Organon der Politikberatung emanzipatorischen Leerlauf entstehen. Mit einer sozialwissenschaftlich elaborierten Medien- und Gesellschaftstheorie, so Albrecht, habe die "Schweigespirale" nichts zu tun, "denn dieser geht es - ganz im Gegensatz zu jener vordemokratischen Vorstellung vom Rudel und den daraus abgeleiteten Verhaltenskomponenten - um Menschenbild und soziales Handeln, das auf dem ´aufrechten Gang´ (Bloch) beruht und - so es nicht im sozialen Ghetto verkümmern, sondern in der Breite praktisch werden soll - der populär-demokratischen Teilhabe vieler bedarf." (2007:14) "Sozialwissenschaft", aus dem Munde einer bürgerlich-positivistischen Noelle-Neumann und aus dem Munde eines emanzipatorisch-kritischen Albrecht vernommen - dies wird an dieser Stelle a u c h deutlich - meint gänzlich Anderes. Der Wille zum Erfolg Die auffällige Invariante in der Vita der Elisabeth Noelle-Neumann scheint nun - vorsichtig ausgedrückt - weniger darin zu liegen "rein der Sache zu dienen" (Max Weber), als vielmehr ein ausgeprägter Wille zum Erfolg und eine stets gesuchte und gefundene Nähe zur Macht zu sein. Wie nah diese Nähe zur Macht auch unter dem Nationalsozialismus gewesen ist, nachweist Richard Albrecht in seinen bezeichnend überschriebenen Texten "Für alle Jahreszeiten" (1986) und "… auf der Seite der Sieger" (1988), die sich ebenfalls in der Broschüre befinden. Nicht unerwähnt bleibt die "Lebensfreundschaft" der Trägerin des Großen Bundesverdienstkreuzes zu Helmut Kohl, dem sie ihre Professur an der Universität Mainz verdankte und der ihr 1981 bescheinigte, lebenslang an einer wichtigen Nahtstelle zwischen Wissenschaft und Politik gewirkt zu haben (vgl. 2007:21). Wider das Schweigen Wollte Richard Albrecht nun der "Schweigespirale" entsprochen haben, wäre diese Broschüre wohl nie erschienen. Denn die öffentliche Meinung feierte die Grand Dame der deutschen Demoskopie anlässlich ihres 90. Geburtstags am 19. Dezember 2006 und man wird durchaus den Standpunkt vertreten können, dass in Anbetracht der Hochbetagtheit der Jubilarin Vergangenheit endlich Vergangenheit sein sollte. Der Privatperson Elisabeth Noelle-Neumann gelten gewiss auch alle unsere besten Wünsche. Das "Phänomen" dieser "deutschen Karriere" reiht sich jedoch zu bruchlos in den selektiven Umgang mit der Vergangenheit so vieler anderer "Eliten" in diesem Land ein, als dass hierzu geschwiegen werden dürfte. Zuletzt war es "Hitlers Marinerichter" (Rolf Hochhuth) Hans Filbinger, den Günther Oettinger postum zum "Gegner des NS-Regimes" stilisierte. Man wird Noelle-Neumann konzedieren müssen, eine äußerst erfolgreiche Wissenschafts-Unternehmerin zu sein und mit ihrem Meinungsforschungsinstitut nicht nur sich selbst, sondern auch Generationen von SozialwissenschaftlerInnen in Lohn und Brot gebracht zu haben. Ein Beispiel für beruflichen Erfolg allerdings, der - um das Wenigste zu sagen - stets der Gefahr ausgesetzt ist, dem positivistischen Banausentum anheim zu fallen.