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978-3-8322-5664-7
Reinhard Spree
Eine bürgerliche Karriere im deutschen Kaiserreich
Der Aufstieg des Advokaten Dr. jur. Hermann Ritter von Pemsel in Wirtschaftselite und Adel Bayerns
Geschichtswissenschaft
Rezension
Gerd Hardach, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 2/2009, S. 226-227, 20.10.2009

Hermann Pemsel, dem Reinhard Spree eine umfangreiche Biographie gewidmet hat, wird vorgestellt als Angehöriger einer neuen «Funktionselite», die seit dem späten neunzehnten Jahrhundert aufkam. Ihre Mitglieder gehörten nicht zum Führungspersonal der großen Unternehmen, sondern blieben in der zweiten Reihe, aber sie waren als Experten und Berater unentbehrlich. Dem Lebenslauf Pemsels kommt daher nach Spree bei aller Individualität auch exemplarische Bedeutung zu. «Im Einzelnen kann das Allgemeine sichtbar und vor allem als gelebte Geschichte nachvollziehbar gemacht werden» (2). Die Angehörigen der Funktionselite haben im Allgemeinen wenig Spuren in den Archiven hinterlassen. Die vorliegende Biographie war in dieser Detailtreue nur möglich, weil neben den Hinweisen aus staatlichen Archiven und Unternehmensarchiven zahlreiche persönliche Dokumente aus dem Familienbesitz erhalten geblieben sind. Karl Wilhelm Hermann Pemsel wurde 1841 in Naila in Franken geboren. Sein Vater war Rechtsanwalt und Notar, seine Mutter nach dem Brauch der Zeit Hausfrau. Pemsel folgte in seiner Berufswahl zunächst dem Vater. Er studierte Rechtswissenschaften und machte sich 1870 in Nürnberg als Rechtsanwalt selbständig. Es gab also zunächst eine berufliche Kontinuität vom Vater zum Sohn, die gerade unter Juristen zu jener Zeit nicht selten war. In seinem beruflichen Erfolg, seinem Einkommen und seinem sozialen Status wuchs Hennann Pemsel allerdings weit über den beschränkten Wirkungskreis seines Vaters hinaus. Er wurde ein prominenter Wirtschaftsanwalt, ein gesuchter Experte, Berater der großen bayerischen Unternehmen wie auch der Regierung, angesehenes Mitglied der Berufsorganisationen in Bayern und im Reich. Die Grundlage für Pemsels Aufstieg war seine Kompetenz als Anwalt und Berater. Als Anwalt in Nürnberg lernte Pemsel den 24 Jahre älteren Unternehmer Theodor von Cramer-Klett kennen. Theodor Cramer, der sich seit 1847 zur Erinnerung an seinen Schwiegervater Cramer-Klett nannte, 1855 mit dem persönlichen Adel und 1876 als «Freiherr von Cramer-Klett» mit dem erblichen Adel ausgezeichnet wurde, war einer der erfolgreichsten bayerischen Unternehmer seiner Zeit. Er war an zahlreichen Unternehmensgründungen im Maschinenbau, im Bankwesen, im Versicherungsgeschäft und im Eisenbahnwesen beteiligt. Aus seinen vielseitigen Gründungsaktivitäten gingen bekannte Unternehmen wie die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN), das Bankhaus Merck, Finck & Go. und die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft hervor (173-189). Cramer-Klett zog den jungen Anwalt als Berater an sich, und als der Unternehmer 1877 nach München übersiedelte, folgte Pemsel ihm und ließ sich in der Landeshauptstadt als Anwalt nieder. Pemsel beriet Cramer-Klett zunächst in Rechtsfragen, dann aber auch in den vielfältigen unternehmerischen Entscheidungen und in persönlichen Angelegenheiten und wurde, als Cramer-Klett 1884 starb, einer der Nachlassverwalter. Durch die Verbindung zu Cramer-Klett wurde Pernsel Rechtsberater und Aufsichtsratsmitglied bedeutender Unternehmen und nahm so neben der Tätigkeit als Berater mehr und mehr auch die aktivere Funktion des Unternehmers wahr. Prominente Unternehmen, auf deren Geschäftspolitik Pemsel als Aufsichtsrat über mehrere Jahre Einfluss nahm, waren die Allianz Versicherungs-AG, die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft und die Maschinenbau-AG Nürnberg (265f.). Beides, seine Kompetenz als Wirtschaftsjurist und seine Verbindung zu Cramer-Klett, brachten Premsel in Kontakt mit der Staatsverwaltung. 1895 entsandte die bayerische Regierung ihn zu den Beratungen über das neue Handelsgesetzbuch nach Berlin. In Anerkennung seiner beruflichen Erfolge und besonders auch seiner Tätigkeit für den bayerischen Staat erhielt Pemsel mehrere Orden und wurde schließlich 1903 als «Ritter von Pemsel» mit dem persönlichen Adel ausgezeichnet (315f.). Der persönliche Adel war eine Kuriosität der Zeit. Der Form nach eine Erhebung in den Adel, fehlten der Verleihung doch die Erblichkeit und damit das wesentliche Merkmal des echten Adels. Die Monarchie wollte damit dem Geltungsdrang des Besitz- und Bildungsbürgertums entgegenkommen, zugleich aber die Exklusivität des Adels erhalten. Der Adelsstatus der Familie endete daher mit dem Tod Hermann Pemsels 1916, drei Jahre bevor der Adel in Deutschland insgesamt abgeschafft wurde. Neben der Berufstätigkeit Pemsels stellt Spree ausführlich das Familienleben dar. Hermann Pemsel heiratete 1870, kaum dass er aus der Anwaltskanzlei seines Vaters ausgeschieden war und sich selbständig gemacht hatte, die acht Jahre jüngere Sophie Heibig aus einer Erlanger Unternehmerfamilie. Mit dem beruflichen Erfolg und dem steigenden Einkommen Hermann Pemsels entwickelte die Familie mit drei Kindern einen aufwendigen großbürgerlichen Lebensstil. Gesellschaftliche Kontakte bestanden vor allem zum Besitz- und Bildungsbürgertum, auch zu einigen adligen Familien. Die spätere persönliche Adelsverleihung brachte keine Änderung im großbürgerlichen Lebensstil der Familie Pemsel, sie trat nicht in die Welt des alten Adels ein. Die sorgfältige Biographie über Hermanr Pemsel und seine Familie ist ein wichtiger Beitrag zur Unternehmensgeschichte, und darüber hinaus zur Geschichte des Bürgertums in späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.

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