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Rezensionen

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978-3-8265-6582-3
Horst Kranz
Lütticher Steinkohlenbergbau im Mittelalter
Aufstieg - Bergrecht - Unternehmer - Umwelt - Technik
Aachener Studien zur älteren Energiegeschichte
Rezension
Technikgeschichte Bd. 69 (2002) Nr. 2, Karl-Heinz Ludwig, 21.02.2003

Wer sich über den mittelalterlichen Kohlenbergbau in Wallonien informieren wollte, war zumindest dann, wenn er deutschsprachige Darstellungen suchte, auf die mehrmals verlegten Übersetzungen Gabriel Jars aus dem 18. Jahrhundert angewiesen, die unter dem Titel „Metallurgische Reisen ..." mineralische Rohstoffvorkommen des Lütticher Beckens einbezogen. In jüngster Zeit sind zum Thema gleich zwei größere Werke erschienen, neben Benoit/Verna „Le charbon de terre en Europe occidentale ..." (1999) nunmehr die vertiefter Quellenarbeit wegen vorzügliche Arbeit des Aacheners Horst Kranz. Mit einigem Recht moniert der Autor, dass die in römischer Zeit einsetzende Verwendung von Lütticher Steinkohle im deutschen Überblicks-werk der Propyläen Technikgeschichte zu kurz gekommen sei. Dort heißt es in Band 2, man habe Steinkohle im Hochmittelalter allenfalls im Bereich der Lagerstätten für den Schmiedebetrieb genutzt, so in England und - immerhin - in Wallonien, und in Band 3, auf dem euro-päischen Kontinent sei Steinkohle als Hausbrand und als Energieträger für Produktionszwecke weitestgehend gemieden worden. Die so beschriebene darstellerische Lücke schließt Kranz mit einem konturenreichen Bild des Lütticher „Kohlengewerbes" seit der ersten, knappen Erwäh-nung einer zum Feuermachen bestens geeigneten terra nigra 1195. Somit ergänzt Kranz das angehäufte Wissen über den mittelalterlichen Edel- und Buntmetall-bergbau durch den Sonderfall (nur Gewinnung und Handel, kaum Aufbereitung, geschweige denn Verhüttung) Kohle oder besser und genauer Steinkohle. Zur Holzkohle und Köhlerei so-wie zum jüngeren Braunkohlenbergbau liegen bekanntlich Forschungsergebnisse vor. Jedenfalls entbirgt das Gebiet von Lüttich mit einem Bischof oder, wie der Verfasser zur Verdeutlichung der Territorialhoheit schreibt, „Fürstbischof als Oberherrn eine der Wurzeln mittelalterlicher Montangeschichte. Anfängliche regalrechtliche Zusammenhänge, wie vor allem bei den Edel-metallen, kamen beim Steinkohlenbergbau - mit gewisser Ausnahme von Aachen - nicht zum Tragen. Ausschlaggebend wurden grundherrschaftliche Gegebenheiten und ihnen gegenüber bürgerliche Initiativen. Erstere ermöglichen es dem Verfasser, die allgemein günstigere Überlieferung lokaler Stifts- und Klostergeistlichkeit zu nutzen und auf dieser Quellenbasis eine um-fassende, mit Wiederholungen gelegentlich etwas zu ausführliche Reviergeschichte zu schrei-ben, die nicht nur über den Steinkohlenbergbau und seine wirtschaftlichen Verflechtungen Auskunft gibt, sondern auch über die bedeutende Maasstadt und das Fürstbistum Lüttich selbst. Weitere montangeschichtliche Forschungen hätten vor allem zu prüfen, wie bestimmte Elemen-te der ersten mittelalterlichen Urkunden mit der an anderen Stellen Europas rund hundert Jahre älteren Überlieferung zum Edelmetallbergbau übereinstimmen, wobei, da ohne regalrechtlichen Kontext die größere politische Dimension zurücktritt, geologische und montantechnische Fra-gen in den Vordergrund treten: Im Lütticher Becken war der Steinkohlenabbau mit Entwässe-rungsfragen verknüpft, da Abzugs Stollen in Kanäle übergingen und in ein ganzes hydrographi-sches System eingebunden werden mussten, das seit jeher Umweltrücksichten zu nehmen und neben der Energiebereitstellung der Brauch- und Trinkwasserversorgung in der Stadt zu dienen hatte. Technik- und rechtsgeschichtlich werden Vergleiche herausgefordert: Wie passt Lüttich in die durch W. v. Stromer 1984 beschriebene Entwicklung der Wasserkünste und wie in die des Erbstollenrechts im Metallerzbergbau, wenn ein besonderer Wasserab- und -zuführungszins, ein Cens d´ Areine, zusätzlich zur Terrage, einer mit der Frone des Edelmetallbergbaus vergleich-baren Naturalabgabe, zu entrichten war? Mit der Arbeit von Kranz werden die spezifischen Lütticher Lösungen der Abgaben und all-gemein des Bergrechts (mit einer aufschlussreichen Urkunde 1277 und einer Codifikation 1377), einschließlich der kontrollierten, Norm und Praxis möglichst in Übereinstimmung bringenden Konzessionierungen seitens der Grundherrschaften, der Gewinnung und Förderung im Stollen-und auch schon im 13. Jahrhundert im Schachtbau mit zweierlei Geschworenen als Aufsichts-organen, die des Korporationsrechts der sich sozial ausdifferenzierenden Bergleute im Rahmen städtischer Zunftorganisation und auch die der technischen Ausstattung, die zunächst nur Haspel-, seit Ende des 14. Jahrhunderts aber auch Göpelförderungen einbezogen, ansonsten aber -ohne die Sektoren Aufbereitung und Verhüttung - außerhalb des Wasserwesens eng begrenzt blieben, besser in europäische Vergleiche einzubringen sein. Insofern setzt Kranz einen montan-geschichtlichen Eckstein, der auch in der Sozial-, Technik- und Wirtschaftsgeschichte zu be-achten sein wird und ebenso in der Energiegeschichte, in deren Aachener Studienreihe der Autor mit einer Arbeit über die Kölner Rheinmühlen schon einmal hervorgetreten ist. Sein jüngstes Werk erscheint jetzt ohne Quellenanhang. Für wissenschaftliches Arbeiten und vor allem Weiterarbeiten wurde ein besonderer Quellenband verlegt, der die lateinischen und fran-zösischen Texte deutsch einleitet. Verfasser wie Verlag, aber auch dem Herausgeber der Reihe, Dietrich Lohrmann, gebührt großer Dank dafür, dass mit dem Prinzip der parallelen Quellenveröffentlichung eine gute Tradition der Mediävistik im Interesse zukünftiger wissenschaftlicher Geschichtsschreibung fortgesetzt wird.

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