Johannes Wörn Mehr Rechte für Patientinnen und Patienten? Eine Bilanz und Vorschläge für die Weiterentwicklung des Patientenrechtegesetzes ISBN: 978-3-8440-8340-8 Preis: 19,80 € / 24,80 SFR |
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Rezension |
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Die vorliegende Masterarbeit ist vom Geschäftsführer der Alexandra-Lang-Stiftung für Patientenrechte, Berlin, verfasst worden. Die Arbeit beschreibt nicht nur die Entwicklung bis zum Patientenrechtegesetz, sondern auch die Erwartungen, die mit dem Patientenrechtegesetz verbunden waren. Durch die detaillierte Darstellung und Diskussion der wichtigen gesetzlichen Regelungen unternimmt der Verfasser eine Bilanz dahingehend, ob die Regelungen im Patientenrechtegesetz klar, verständlich und konsistent sind und darüber hinaus die Regelungen im Patientenrechtegesetz unabhängig von der Kodifizierung an sich einen Mehrwert zum Status quo vor dem Gesetz und im Sinne der beschriebenen Ziele des Gesetzgebers und eines für Patienten und Behandelnde gleichermaßen transparenten und fairen rechtlichen Regelungsrahmen gebracht haben. In der Arbeit werden sehr umfassend und mit einem beeindruckenden Literaturapparat und vielen Rechtsprechungsnachweisen nicht nur die gesetzgeberischen und rechtswissenschaftlichen Meinungen und Diskussionen dargestellt, sondern sehr akribisch die obergerichtliche Rechtsprechung bis hin zum Patientenrechtegesetz anschaulich dargestellt und zusammengefasst. Annähernd jeder Satz bzw. jede Darstellung wird mit verschiedenen Fußnoten aus der rechtswissenschaftlichen Literatur und obergerichtlichen Rechtsprechung belegt. Anknüpfend an die an mehreren Stellen hervorgehobene "systemimmanente(n) Beweisnot des Patienten" im Arzthaftungsverfahren wird vom Autor anknüpfend an die oben genannten Fragestellungen detailliert die Diskussion um die gesetzlichen Regelungen und Formulierungen bewertet. Speziell anhand der Ausführungen zu den praktischen Erfahrungen der Alexandra-Lang-Stiftung wird vom Autor die Fehleroffenbarungspflicht gern. § 630c Abs. 2 S. 2 und 3 BGB dargestellt und gewürdigt. Anders als das von Wenzel/Stein meisterkritisierte "chaotische Pflichtenfeuerwerk" weist der Autor zu Recht darauf hin, dass trotz der Kritik eine Stärkung der Rechtsposition des Patienten in diesem Zusammenhang notwendig ist und im Übrigen lediglich Tatsacheninformationen und keine näheren Bewertungen als Behandlungsfehler geschuldet seien. Im Übrigen sei trotz der Kritik als "Anschwärzungsparagraph" bisher weder gesetzlich noch in der obergerichtlichen Rechtsprechung eine wie auch immer geartete Sanktion für den Verstoß gegen diese Informationspflicht vorhanden. Ein weiterer Schwerpunkt dieser Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob die immer wieder strapazierte und geforderte Waffengleichheit der Parteien durch eine Verbesserung der Beweislastregeln zugunsten des Patienten erreicht worden sei. Da indes das Patientengesetz im Grundsatz nur konsistent die obergerichtliehe Rechtsprechung normiert, resümiert der Autor zu Recht dahingehend, dass ein wie auch immer gearteter "Mehrwert" des Patientenrechtegesetz gerade nicht erreicht worden sei. Auch die im Gesetzgebungsverfahren diskutierte genauere Definition des groben Behandlungsfehlers sei verabsäumt worden. Trotz der harschen Kritik, die das Patientenrechtegesetz insbesondere von Behandlerseite erfahren hat, weist der Autor unter detailliertem Hinweis auf die vorliegenden Statistiken der Schlichtungs- und Gutachterstellen der Landesärztekammern, der Medizinischen Dienste der Krankenkassen sowie der vorliegenden und verfügbaren Eingangszahlen der Justiz darauf hin, dass weder eine weitere Verrechtlichung noch mehr Streitfälle im Zuge des Patientenrechtegesetzes erkennbar seien. Tatsächlich sind die Zahlen rückläufig. Die Vorschläge für eine gesetzgeberische Weiterentwicklung des Patientenrechtegesetzes werden hieran anknüpfend vom Autor dahingehend diskutiert, dass bisher im Gesetz Sanktionen bei Pflichtverletzungen fehlen und insoweit speziell bei Verstößen gegen Dokumentationspflichten klarere Beweisfolgen im Sinne einer Beweislastumkehr deutlich normiert werden müssen. Die Beweislastregeln des § 630h BGB sieht der Autor insoweit als reformbedürftig an, als dass die Beweislast fairer zu regeln wäre, wenn die Beweishürden beim zentralen Kausalitätsproblem, d.h. im Sinne einer "überwiegenden Wahrscheinlichkeit" zugunsten des Patienten aufgelöst wird. In diesem Zusammenhang wäre es beispielsweise auch möglich gewesen, wenn der Autor überlegt hätte, ggf. die Voraussetzungen des groben Behandlungsfehlers abzusenken. Tatsächlich zeigt sich bekanntlich in der Praxis eine zum Teil bizarre Diskussion im Sachverständigenbeweis, in welcher Prozentzahl im zu entscheidenden Sachverhalt etwas "wahrscheinlich" oder "ausgeschlossen" ist. Das Fazit und der Ausblick dieser Arbeit fassen erneut zusammen, dass die Ungleichheit zwischen Patienten und Behandelnden im Arzthaftungsverfahren nicht beseitigt wurde und der Gesetzgeber nichts an den strukturellen Nachteilen des Patienten gegenüber der Behandlerseite geändert hat. Die Arbeit imponiert insbesondere durch die umfassende und dennoch konsumierbare und lesbare Übersicht der Literatur, der obergerichtlichen Rechtsprechung und der gesetzgeberischen Überlegungen. Sie stellt daher eine wertvolle wissenschaftliche Lektüre dar, um nochmals nach acht Jahren Patientenrechtegesetz anzuknüpfen und gesetzgeberische Verbesserungen der Patientenrechte einzufordern. Dr. Roland Uphoff, M.mel., Rechtsanwalt, FAMedR, Bonn. |
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Quelle: GesundheitsRecht, 6/2022, S. 404 | |
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