Innovative Produktkategorien und Produktionsprozesse erfordern angepasste Methoden und Werkzeuge in der Produktentwicklung, um deren Potential vollständig zu erschließen. Für die Fertigungsverfahren Spaltprofilieren und Spaltbiegen wurde im Sonderforschungsbereich~666 „Integrale Blechbauweisen höherer Verzweigungsordnung – Entwicklung, Fertigung, Bewertung“ ein algorithmisierter Produktentwicklungsprozess definiert, dessen Ziel es ist, Anforderungen automatisiert in Prinziplösungen für verzweigte Blechbauteile zu überführen. Der Entwicklungsprozess besteht aus den Teilprozessen Anforderungserfassung, mathematische Gestaltoptimierung, Konstruktion, Fertigungsplanung, Fertigung und Bauteilbewertung. Für die einzelnen Teilprozesse wurden bereits eigenständige Methoden und Werkzeuge entwickelt und validiert. Ziel dieser Dissertation war es, die Entwicklungsergebnisse in einem gemeinsamen, konsistenten Modell abzubilden und den Teilprozessen die benötigten Eingangsgrößen gezielt bereit zu stellen. Die starke Fertigungsorientierung der verzweigten Blechbauweisen ermöglicht es darüber hinaus, den Produktentstehungsprozess bereits in frühen Entwicklungsphasen durch die Bereitstellung technologischer Eigenschaften der eingesetzten Fertigungsverfahren und Werkstoffe zu unterstützen.

Das entwickelte Konzept für ein technologiebasiertes Informationsmodell beschreibt die Struktur und Semantik der Entwicklungsinformationen verzweigter Blechprofile. Es besteht aus einem Kernmodell und fünf Partialmodellen für die Teilprozesse. Die Fertigungsverfahren und Werkstoffe der verzweigten Blechbauweisen werden als Technologien mit ihren Eigenschaften im Kernmodell abgebildet. Das Kernmodell hat dabei eine Integrationsfunktion und stellt semantische Verknüpfungen zwischen den Informationen der Teilprozesse über die eingesetzten Fertigungstechnologien her. In den Partialmodellen sind die Anforderungen an das zu entwickelnde Profil, die Ergebnisse der algorithmisierten Lösungsfindung, das Konstruktionsmodell, die Fertigungsplanung sowie die Ergebnisse der Bauteilbewertung abgelegt. Die Informationen in den Partialmodellen sind disjunkt und eigenständig gültig. Über die Verknüpfungen zu den im Kernmodell abgebildeten Technologien werden sie zusätzlich mit den Informationen aus den anderen Partialmodellen verknüpft. Am Beispiel der Technologiefeatures für die Konstruktion wird exemplarisch gezeigt, wie die Semantik des technologiebasierten Informationsmodells in die Teilprozesse und Anwendungssysteme der Produktentstehung integriert werden kann.

Das technologiebasierte Informationsmodell dient als Grundlage für die Implementierung eines Leitsystems zur Unterstützung des Entwicklungsprozesses verzweigter Blechbauweisen. Das Leitsystem besteht aus zwei wesentlichen Komponenten: Ein Prozessnavigator zeigt die Teilprozesse der Produktentstehung verzweigter Blechprofile und ermöglicht den Austausch der Entwicklungsdaten mit den Teilprozessen. Ein Informationsbrowser ermöglicht die Darstellung alle Entwicklungsinformationen in anwenderspezifischen Sichten. Diese können ebenfalls über den Prozessnavigator aufgerufen werden. Für jede Rolle im Entwicklungsprozess wurden Sichten definiert, die die jeweils relevanten Entwicklungsinformationen umfassen. Anhand eines Beispiels konnte gezeigt werden, dass das entwickelte Informationsmodell und das darauf basierende Leitsystem die Informationen des Entwicklungsprozesses verzweigter Blechprofile abbilden und über die eingesetzten Technologien integrieren kann.

Forschungsberichte aus dem Fachgebiet Datenverarbeitung in der Konstruktion