Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union betrifft die Bundesrepublik Deutschland nicht nur extern als einheitliches Völkerrechtssubjekt, sondern entfaltet auch unmittelbare Auswirkungen auf die binnenstaatliche Rechtsetzung und Rechtsanwendung. So agieren die Träger der horizontal und vertikal geteilten Staatsgewalten nicht mehr allein im nationalstaatlichen Auftrag, sondern unterliegen zudem der Pflicht, die höherrangigen Vorgaben des Unionsrechts effektiv umzusetzen. Aufgrund dieser supranationalen Durchdringung der nationalen Staatsorganisation verteilt sich die Umsetzungsverantwortung innerstaatlich auf die jeweils zuständigen Organe. Im Falle von Verstößen gegen Umsetzungspflichten sieht die Unionsrechtsordnung Sanktionsmaßnahmen vor, die sich zunächst gegen die Bundesrepublik als außenverantwortlichen Mitgliedstaat richten. Die Effektivität der verschiedenen Sanktionen hängt jedoch maßgeblich davon ab, ob sie letztlich die innerstaatlich für die Umsetzung verantwortlichen Hoheitsträger treffen. Inwieweit dieser Gleichklang zwischen Umsetzungsverantwortung und -verantwortlichkeit im föderalen Innenverhältnis geboten ist und inwieweit er sich de lege lata, de facto und de lege ferenda herstellen lässt, sind die Leitfragen der vorliegenden Untersuchung.
Aufgrund einer weiten Definition des Umsetzungsbegriffs werden zunächst die sanktionsbewehrten Umsetzungspflichten in quantitativer und qualitativer Hinsicht systematisch erfasst sowie strukturelle, der Unionsebene zuzuordnende Umsetzungshindernisse identifiziert, die das Haftungsrisiko der Mitgliedstaaten steigern. Im Hinblick auf das unionsweite und das deutsche Umsetzungsdefizit erfolgt eine nach Verstößen gegen formelle und materielle Umsetzungspflichten bei der Rechtsetzung sowie Anwendungsdefiziten differenzierte Bestandsaufnahme inklusive Ursachenanalyse. Es folgt eine Gesamtdarstellung der unionsrechtlichen Instrumente zur Sanktionierung von Defiziten einschließlich Bewertung anhand des Kriteriums des mitgliedstaatlichen Haftungsrisikos. Neben dem universellen Vertragsverletzungsverfahren sowie speziellen Sanktionen wie dem Defizitverfahren und der vom EuGH entwickelten Staatshaftung werden mit dem Vorabentscheidungsverfahren und der Mobilisierung der EU-Bürger Mechanismen erörtert, die insofern mittelbar haftungsrelevant sind als sie die Effektivität der eigentlichen Sanktionsinstrumente steigern.
Im Anschluss an die Diskussion der unmittelbaren Verbindlichkeit des supranationalen Unionsrechts für innerstaatliche Organe werden die jeweiligen Umsetzungsprogramme der horizontal geteilten Staatsgewalten abgegrenzt und die Reichweite der Sanktionsinstrumente der EU bei entsprechenden Defiziten aufgezeigt. Diskussionsschwerpunkte bilden die Kompetenzen der Judikative und der Administrative zur Nichtanwendung gemeinschaftsrechtswidriger Normen. Im Zentrum der Erörterung normativer Umsetzungspflichten stehen sodann die Wechselwirkungen mit den applikativen Pflichten, insbesondere die Prüfung, inwieweit die rechtsanwendenden Staatsorgane zur legislativen Umsetzung beitragen können. Im Hinblick auf die vertikale Zuordnung der Umsetzungspflichten wird die Reichweite der materiellen Verpflichtung der föderalen Ebenen untersucht, indem die einschlägigen Kompetenznormen ermittelt und umsetzungsspezifisch ausgelegt werden. Anhand des Vertragsverletzungsverfahrens wird anschließend die Außenhaftung des Bundes gegenüber der EU diskutiert und geprüft, inwieweit der Regress gegenüber den Ländern erforderlich und möglich ist. Die Untersuchung mündet in eine paradigmatische Systematisierung der föderalen Haftungszuordnung. Die am Beispiel des Vertragsverletzungsverfahrens gewonnenen Erkenntnisse werden abschließend auf die Sanktionsinstrumente des Defizitverfahrens und der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung übertragen.
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