Wenn ich Bücher lese, unterstreiche ich gern Stellen, bei denen ich denke: Tolle Formulierung, das musst du dir merken, den Einfall hätte ich gern selbst gehabt. Bei diesem Buch habe ich das nach kaum drei Seiten aufgegeben. "Preußen war. Bayern ist." Besser geht es nicht. "Bei dem Wort ,Nahrungskette´ stellte sich eine echte Bayerirr früher sieben Weißwürste vor." Peng.
Der größte Teil des Buches gilt aber der deutschen Sprache; hier breitet der emeritierte Münchner Anglistikprofessor Gert Raeithel eine maximal unterhaltsame wie augenöffnende Auswahl von "Essays, Glossen und Satiren" aus 40 Jahren seines Schaffens aus, die bei allen Zeitbezogenheiten frisch sind wie am ersten Tag: "Der Angloamerikanismus ist therapieresistent. Bei seiner Behandlung entstehen oftmals Metastasen. Da stellt uns ein Amerikakorrespondent den amerikanischen Präsidenten vor als einen good communicator, wie man hier sagt, das heißt er kommt gut über. Und ein Frankreichkorrespondent konfrontiert in Paris einen deutschen Bundeskanzler mit Problemen beim deutschfranzösischen Sprachunterricht und will wissen: Wie kann diese Schwierigkeit überkommen werden? Und womit wir wieder beim Thema sind, denn mit der Form der Frage wird die Berechtigung ihres Inhalts bewiesen."
Der Autor spielt mit der Sprache wie mit seinen Lesern gleichermaßen. Das beginnt mit der Umschlagseite, deren Sinn sich erst in dem Kapitel "Dada gestern und heute" erschließt, und schließt auch Ratschläge zum Essen ein. "Die McDonaldisierung der Bundesrepublik wird sich erst dann aufhalten lassen, wenn wir dem ,Hamburger´ etwas gleichermaßen Abschreckendes entgegenzusetzen haben (...) Warum erfindet niemand den kerndeutschen ,Mönchengladbacher´ aus gedünsteten Roterübenscheiben in Semmelbröseln?"
Daneben bekommen auch der Sport ("Berufsbedingt ist ein Fußballer parterre wendiger als im II. Stock") und das moderne Leben allgemein eine Reihe liebevoller Seitenhiebe ab. ("Werden unsere Autos immer schneller, um das Stauende früher zu erreichen?")
In einer Besprechung ist leider nicht für alle Platz, da hilft nur eines: Selber lesen.
Walter Krämer